Trotz politischer Hindernisse gedeiht die Zusammenarbeit auf kommunaler und ziviler Ebene prächtig

Fast hundert Paar Hände schütteln und Urkunden überreichen – das war die Hauptaufgabe der beiden Außenminister Maas und Lawrow bei der Abschlussveranstaltung zum deutsch-russischen Jahr der deutsch-russischen kommunalen und regionalen Partnerschaften im Auswärtigen Amt in Berlin. Ausgezeichnet wurden die dreißig – nach Meinung der Jury – herausragenden von rund 260 eingereichten gemeinsamen Projekten und Initiativen von Kommunen, Vereinen, Verbänden und Gruppen.

Dazu gehörten das Projekt „Feuerwehraustausch 2017“ zwischen Pforzheim und Irkutsk, die Errichtung eines Völker-Freundschafts-Denkmals in der Ortschaft Leipzig im Ural gemeinsam mit Partnern aus der gleichnamigen deutschen Messestadt, die Eröffnung einer Behinderten-Werkstatt in Perm mit Unterstützung aus Duisburg, der bilinguale Sprachunterricht „Russisch via skype“ zwischen der Stadt Brandenburg und Magnitogorsk oder auch das freiwillige soziale Jahr in Nishnij Nowgorod und Essen.

Zudem waren die deutschen Außenamtschefs Zeugen der Unterzeichnung von drei weiteren deutsch-russischen Städtepartnerschaften zwischen Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern und Wyborg an der schwedischen Grenze, Schwedt in Ost-Brandenburg und Tuapse in der südrussischen Region Krasnodar sowie Lahr im Schwarzwald und Swenigorod im Moskauer Gebiet.

Ansonsten taten der „liebe Sergej“ und „mein Freund Heiko“, wie sie sich gegenseitig nannten, das, was man an dieser Stelle von ihnen erwartete – sie lobten die guten Beziehungen auf der kommunalen und regionalen Ebene und sprachen sich für deren Erweiterung aus. Vor dem Hintergrund der wenige Stunden zuvor bekräftigten kompromisslosen Positionen bei den hinlänglich bekannten politischen Probleme zwischen beiden Ländern klang das jeweils nach „ich will ja, aber du nicht“.

So war es wieder einmal an Matthias Platzeck, dem Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums, klare Worte zu sagen. Er wies darauf hin, dass Deutschland und Russland eine gemeinsame Geschichte haben, wie keine anderen Völker dieser Welt. „Der Bürgerdialog ist deshalb das Fundament, auf dem vertrauensvolle Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern aufbauen, gerade in diesen schweren Zeiten. Aber viele Beteiligte an diesem Austausch klagen über Schwierigkeiten und zunehmende Bürokratie bei der Visa-Erteilung. Hier sind für den Ausbau dieser von allen Seiten befürworteten Beziehungen Erleichterungen notwendig.“

Eine „Außenpolitik von unten“ ist für die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, ganz wichtig, wenn die Verständigung auf der obersten Ebene nicht funktioniert. Gegenwärtig gebe es zwischen Deutschland und Russland über 100 Städtepartnerschaften, 30 Regionalpartnerschaften und 13 Städtefreundschaften. Gerade die Städte seien in diesem Zusammenhang immer wichtiger als internationale Akteure und gerade in den Kommunen und Regionen beider Länder gebe es noch große Möglichkeiten für eine Entwicklung des Austausches, die gefördert werden sollten.

Zugleich machte sie darauf aufmerksam, dass nun bei den Aktivisten der deutsch-russischen Zusammenarbeit langsam ein Generationswechsel notwendig sei. Deshalb müsse dem internationalen Jugendaustausch besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, sagte der neue Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft, Dirk Wiese, an die Adresse der Hausherren.

Der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit, Mitglied des Kuratoriums des Deutsch-Russischen Forums, machte klar, dass Deutschland für Russland nach wie vor ein Schlüsselpartner ist, und zeigte sich überzeugt, dass auf beiden Seiten die  Vernunft siegen wird. „Die Russen haben eine unschätzbare Eigenschaft – nach allen schrecklichen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit haben wir immer wieder bald die Hand zur Versöhnung gereicht. Auch jetzt ist ein Anfang gemacht – wir hören einander wieder zu.“ Das Partnerschaftsjahr der kommunalen und regionalen Zusammenarbeit habe in vielen hundert Projekten bewiesen, wie groß das Interesse an Kontakten, am  Austausch von Erfahrungen und an der Zusammenarbeit in beiden Ländern sei.

Dass dies in der Tat so ist, hatte offensichtlich auch die Ausrichter vom Auswärtigen Amt überrascht. Die Tagungsräume für die vier Arbeitsgruppen am Vormittag waren überfüllt, weder die Stühle, noch die Stehplätze reichten, um alle Teilnehmer aufzunehmen.

Diskutiert wurde über russische und deutsche Strategien für eine Verbesserung der Lebensqualität in den Kommunen und Regionen, über Energieversorgung und nachhaltige Stadtentwicklung, den Ausbau von Städtepartnerschaften sowie über Ergebnisse und Perspektiven deutsch-russischer Partnerschaften im sozialen Bereich.

Um dieses Miteinander weiter zu fördern, werden in einer gemeinsamen Erklärung des Deutsch-Russischen Forums, des Bundesverbandes Deutscher Ost-West-Gesellschaften, der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch sowie der Stiftung West-Östliche Begegnungen die Gründung eines bilateralen Koordinationsrates für deutsch-russische Partnerstädte unterstützt, die regelmäßige Durchführung eines Jugendforums der Städtepartnerschaften angeregt, Hilfe bei der Wiederbelebung von Städtepartnerschaften zugesagt sowie angekündigt, die Möglichkeiten für Praktika, Hospitationen sowie den Fach- und Kulturaustausch zu erweitern.

Das kommende deutsch-russische Partnerschaftsjahr wird im Zeichen von Wissenschaft und Bildung stehen.

[hh/russland.NEWS]

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