Phobien, Depressionen und Resilienz: psychische Folgen der Pandemie©russland.news

Phobien, Depressionen und Resilienz: psychische Folgen der Pandemie

Die Folgen der Coronavirus-Pandemie werden in der russischen Gesellschaft noch lange nach dem Ende von Covid-19 zu spüren sein. Vor allem in der Entwicklung von schweren psychischen Abweichungen. Darüber schreibt die Soziologin Julia Schamatowa in der Fachzeitschrift „Ökonomische und soziale Veränderungen: Fakten, Tendenzen, Prognosen“.

Im Jahr 2020 wurden in Russland mehrere Querschnittsstudien zur Bewertung des psychisch-emotionalen Zustands der Bevölkerung durchgeführt. Nach den Ergebnissen einer dieser Studien wurden klinische Werte von Angst und Depression bei 9,3 Prozent und 6,1 Prozent der Befragten festgestellt, subklinische bei 12,6 Prozent bzw. 15,1 Prozent. Nach den Ergebnissen der Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für psychische Gesundheit haben 22,3 Prozent der Befragten (und unter den Einwohnern der Hauptstadt jeder dritte Befragte) das Bedürfnis nach psychologischer Hilfe. Sie weisen ein deutlich höheres Maß an phobischen Reaktionen, Somatisierung und Suizidgefährdung auf, aber ein geringeres Maß an Bewältigungsstrategien, die das Stressniveau reduzieren. Dabei gibt einen statistisch signifikanten Aufwärtstrend bei depressiven Symptomen mit dem Fortschreiten der Covid-19-Pandemie. Gleichzeitig gibt es eine negative Dynamik in der Fähigkeit, das Geschehen objektiv zu bewerten und sich selbst zu trösten. Eine Verlängerung der Dauer der Pandemie kann also zu einer Zunahme ineffektiver Methoden zur Verringerung der psychopathologischen Symptomatik führen, insbesondere des aggressiven Verhaltens.

„Nach Ansicht der meisten Wissenschaftler sollten wir solche emotionalen und verhaltensmäßigen Reaktionen in der Bevölkerung erwarten“, schreibt Schamatowa.

Laut Wissenschaftlern vom Moskauer Forschungsinstitut für Psychiatrie sollte man „einen Anstieg der Selbstmorde in russischen Regionen mit relativ niedrigen Selbstmordraten erwarten. In rezessiven Regionen mit chronischer wirtschaftlicher Stagnation und Entvölkerung hingegen ist der „Beitrag des Coronavirus“ aufgrund der Anpassung an belastende Ereignisse („ich war nicht reich – muss mich auch nicht daran gewöhnen“), der geringen Verfügbarkeit medizinischer Versorgung und epidemiologischer Aufzeichnungen möglicherweise nicht so spürbar. Fachleute weisen darauf hin, dass die Sterblichkeits- und Selbstmordraten über Jahre hinweg erhöht sein können, und dass die regionalen Raten nach der akuten Phase der Pandemie, insbesondere in Hochrisikogruppen, ansteigen können“.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Einige Forscher stellen eine neue positive Erfahrung der Menschen während des Coronavirus-Ausbruchs fest. Dazu gehören der Stolz auf die eigene Resilienz und die Bewältigung von Widrigkeiten, das Gefühl der Gemeinschaft gegenüber dem Unglück, ein tiefes Gefühl der Befriedigung, wenn man sich gegenseitig hilft.

Auch die Stigmatisierung von psychischen Störungen hat abgenommen. Viele haben in dieser Zeit psychische Probleme, über die sie sich nicht schämen zu sprechen, was nach Ansicht von Fachleuten zu einer früheren Erkennung und Behandlung und damit zu einer Verringerung der Krankheitslast beitragen sollte.

[hrsg/russland.NEWS]

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