Packeis auf der Newa: Schiffe in Gefahr

Der plötzliche und heftige Wintereinbruch mit erstaunlichen Schneemassen vor zehn Tagen hat nicht nur die hoffnungslos überforderten Kommunalbetriebe kalt erwischt: Auf der Newa sitzen zehn beladene Frachter fest – ein beträchtliches ökologisches Risiko für die Stadt.

Verwöhnt von den milden Wintern der letzten Jahre sollte die Schifffahrtssaison in St. Petersburg eigentlich bis zum 30. November dauern. Solange wären auch noch allnächtlich die Brücken hochgezogen worden, um Frachtschiffe passieren zu lassen. Doch nachdem am 7. November ein 24 Stunden lang blasender Sturm jede Menge Schnee und stabile Kälte gebracht hatte, fror die Newa innerhalb weniger Tage zu.

Seit dem 12. November hat kein Schiff flussabwärts mehr die Brücken passiert, um im Seehafen entladen zu werden, berichtet fontanka.ru. Doch das bedeutet nicht, dass nicht noch Schiffe unterwegs wären: Im Südosten der Stadt hat sich ein Stau aus Frachtern gebildet – und sitzt mittlerweile im Eis fest. Die Schiffe sind mit Holz und Kies beladen, doch unter den Eis-Gefangenen sind auch beladene Öltanker.

Eisbarriere blockiert die Newa

Das größte Problem stellte bis zur Nacht auf Donnerstag der Holzfrachter Omskij-132 dar: Er musste seine nächtliche Passage durch die Stadt und weiter nach Kaliningrad kurz oberhalb der Finnländischen Eisenbahnbrücke stoppen, da eine Barriere aus Treibeis und Schnee die Durchfahrt blockierte. Mittlerweile türmt sich dieser Eisbrei dort fünf Meter hoch auf.

Fünf Tage und Nächte lang versuchte Wolgo-Balt, die Verwaltung des Schifffahrtsweges, den Frachter mit Hilfe von Eisbrechern und Schleppern wieder flott zu bekommen. Doch das Manöver wollte nicht gelingen. Dabei wäre es ein gefährliches Unterfangen, die Barriere vor der Brücke zu zerstören: Sollte auf diese Weise das Eis in Bewegung kommen, würde es den Frachter unkontrolliert mitreißen. „Das Schiff kann dann an einem Brückenpfeiler zerschellen oder seine Aufbauten werden von der Brücke abgerissen“, so ein Teilnehmer der Nonstop-Krisensitzungen bei Wolgo-Balt gegenüber fontanka.ru.

Erstes Schiff flussaufwärts evakuiert

Während man zunächst noch versuchte, das Schiff flussabwärts zu manövrieren, wurde in der letzten Nacht auf der Newa erfolgreich ein Rettungseinsatz in der anderen Richtung durchgeführt: Drei Eisbrecher und ein Schlepper schafften es, Omskij-132 freizubekommen, zu wenden und stromaufwärts aus der Stadt zu eskortieren. Dem Internet-Tracker Marinetraffic zufolge bewegt sich das Schiff nun die Newa aufwärts in Richtung Ladogasee.

Doch hinter Omskij-132 hat sich bereits ein Stau aus zehn weiteren Frachtschiffen gebildet. Am Mittwoch empfahl Wolgo-Balt den Schiffseignern, sie sollten sich für ihre Schiffe wintertaugliche Anlegeplätze am Oberlauf der Newa suchen – sprich dort überwintern und nicht mehr darauf rechnen, vor dem Frühling noch irgendwie bis in den Hafen durchzukommen.

Das Problem ist: Weder gibt es dort genug geeignete Anlegeplätze, noch können sich die festsitzenden Schiffe ohne Eisbrecherhilfe weiter bewegen. Öltanker müssten zudem entleert werden – was nur an spezialisierten Terminals möglich ist. Eisbrecher kann man natürlich engagieren, was die Schiffseigner einiges an Geld kosten wird.

Gefahr für Umwelt und Trinkwasser

Wenn die Schiffe jedoch nicht aus dem Fahrwasser geholt werden (und zwischenzeitlich nicht vom Eis zerquetscht werden), stellen sie spätestens im Frühjahr bei einsetzendem Eisgangs eine unkontrollierbare Gefahr dar: Auch dann würden die bis zu 150 Meter langen Frachter zum Spielball der Macht der Elemente und unsteuerbar in Richtung Newa-Brücken getrieben.

Doch nun besteht ganz akut Gefahr durch das aktuell einsetzende Tauwetter: Am Wochenende werden Temperaturen um die 5 Grad plus erwartet. Sollte dies dazu führen, dass das Eis schon jetzt in Bewegung kommt – und zusätzlich auch noch die junge Eisdecke vom Ladogasee durch die Mündung abrutscht – wird es schwierig, die Schiffe zu halten. Und es ist fraglich, ob für diese Operation genug Eisbrecher und Schlepper mobilisiert werden können.

Eine Leckschlagen oder eine Schiffskatastrophe an einer der Newa-Brücken muss aber unbedingt vermieden werden: St. Petersburg bezieht sein Trinkwasser aus der Newa – und die Entnahmestelle der Wasserwerke liegt vom Schiffsstau aus gesehen stromabwärts. Dennoch gibt es bisher keine Informationen darüber, dass der Katastrophenschutz oder die städtischen Behörden eingeschaltet worden wären.

Klar ist: Den Flussschiffern und Eisbrechercrews stehen hektische Tage auf der Newa bevor. Und St. Petersburg kann dankbar, sein, wenn alles gut abgeht.

[ld/russland.NEWS]

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