Nord Stream 2: Wattebällchen gegen Sanktions-Keule?

Nord Stream 2: Wattebällchen gegen Sanktions-Keule?

[Hartmut Hübner] Die drohende Verschärfung der Sanktionen der USA, die auf die Fertigstellung und die Inbetriebnahme der Erdgasleitung Nord Stream 2 gerichtet sind, stellt einen direkten Angriff auf die Souveränität Deutschlands und Europas das. Darin zeigten sich gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Geschäftsführer des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft-Osteuropaverein, Michael Harms, und der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei DIE LINKE im Bundestag und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag, Klaus Ernst, einig. Sie informierten sich über Einzelheiten der jüngsten geplanten Strafaktionen aus den USA gegen die Fortführung der Arbeiten an der Erdgasleitung Nord Stream 2 durch die Ostsee.

„Eine Gruppe von 19 Senatoren des US-amerikanischen Kongresses hat ein Gesetzesprojekt vorbereitet, wonach weitere Unternehmen und Personen, die in irgendeiner Form an dem Projekt beteiligt sind, unter die Sanktionen fallen“, erklärte Harms und Ernst konkretisierte: „Von den Sanktionen betroffen wären unter anderem auch internationale Organisationen, die Zertifizierungen erteilen oder auch Behörden, die Genehmigungen ausstellen.“

Beide waren sich einig, dass ein solches Verhalten der USA-Führung nicht hinnehmbar ist. Gleichklang auch bei dem Appell an die Bundesregierung und die EU-Kommission, den Amerikanern Paroli zu bieten und die von den Sanktionen betroffenen Unternehmen zu schützen und gegebenenfalls finanziell auszugleichen. Harms brachte hier einen weiteren EU-Rettungsschirm ins Gespräch. Zudem hofft er, die europäische Gemeinschaft gegen dieses Vorgehen der USA in Stellung zu bringen, unabhängig von ihrer Haltung zu Nord Stream 2. Allerdings habe sich Brüssel in dieser Frage bisher sehr bedeckt gehalten.

Er lobte er die Bundesregierung, die sich politisch für die Umsetzung des Projektes einsetze. So habe Wirtschaftsminister Peter Altmaier großen Anteil an dem Zustandekommen des Vertrages zwischen Kiew und Moskau über den Gastransit durch die Ukraine für die nächsten fünf Jahre. Damit sei ein wesentlicher Kritikpunkt der USA im Zusammenhang mit dem Bau von Nord Stream 2 entfallen.

Auch das Giften amerikanischer Politiker gegen einen angeblich überbordenden Handel Deutschlands mit Russland führte Harms ad absurdum: „Wenn der bisherige US-Botschafters in Berlin, Herr Grenell, von uns fordert, wir sollten aufhören, „das Biest“, also Russland, zu füttern, dann übersieht er geflissentlich, dass das Handelsvolumen der USA mit der Russischen Föderation im letzten Jahr – im Gegensatz zu Deutschland – sogar noch gestiegen ist.“ Dies alles ließe nur den Schluss zu, dass es Washington nicht um eine angebliche Abhängigkeit Europas von Russland gehe, sondern allein daran, ihr eigenes Gas zu verkaufen. Er plädierte dafür, durch Verhandlungen die Situation zu entspannen und die Verantwortlichen dazu zu bringen, auf die Verschärfung der Sanktionen zu verzichten.

Der Wirtschaftsexperte der LINKEN, Klaus Ernst, setzte diesem vergleichsweise sanften Widerstand massive Forderungen seiner Partei und Fraktion entgegen. Die Bundesregierung habe lediglich „Wattebällchen gegen die Sanktionen“ geworfen.

Als Sofortmaßnahme müsse der US-amerikanische Botschafter ins deutsche Außenministerium einbestellt werden, wo ihm klargemacht werden solle, dass es die Vereinigten Staaten überhaupt nichts angehe, wo Deutschland und die EU wie viel Gas kaufen und wie es transportiert wird.

Weiterhin solle der Bundestag eine Entschließung verabschieden, in der die Sanktionen der USA gegen Nord Stream 2 zumindest kritisiert werden. Die Chancen dafür schätzt Ernst als recht gut ein, Widerstand könne eventuell von den Grünen kommen, die vor allem aus umweltpolitischer Sicht grundsätzlich gegen das Pipeline-Projekt seien.

Die Bundesregierung solle darüber hinaus ihre bevorstehende U-Ratspräsidentschaft für Bemühungen um eine gemeinsame Position gegen die Sanktionen und Unterstützung für betroffene Unternehmen zu erreichen

Sollten die USA unnachgiebig bleiben, müsse als letztes Mittel auch über Gegensanktionen aus Europa nachgedacht werden. Dem widersprach Michael Harms, der auf die Gefährdung der umfangreichen Interessen vieler deutscher Unternehmen in Nordamerika verwies und vor einer Sanktionsspirale warnte.

Wenn allerdings klare Signale aus Berlin und Brüssel an die Adresse der US-Führung ausblieben, bestehe die Gefahr, dass Sanktionen den Fortgang und Abschluss der Arbeiten zur Fertigstellung der Pipeline ernsthaft behindert werden, meinte Ernst.

Auf die Frage nach seiner Prognose, ob und wann Nord Stream 2 in Betrieb gehen könne, antwortete der Vertreter der deutschen Wirtschaft: „Ich bin schon von Berufs wegen ein Optimist und hoffe, dass dieses Projekt in absehbarer Zeit einen erfolgreichen Abschluss findet“.

[hh/russland.NEWS]

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