Montenegrinische Ängste

Der Oppositionsführer Montenegros und Vorsitzende der Demokratischen Front Milan Knezevic hat der russischen Zeitung »Iswestija« in einem Interview seine Befürchtungen bezüglich russischer Reaktionen auf den NATO-Beitritts-Antrag der montenegrischen Regierung erklärt.

Zuerst stellte er fest, dass seiner Meinung nach der Beitritt der Krim zur Russischen Föderation verständlich sei und seine Berechtigung gehabt habe.
„Die Halbinsel ist im Jahr 1953 durch einen einsamen Beschluss unter die ukrainische Gerichtsbarkeit geraten. Unter Berücksichtigung der Ereignisse in der Ukraine im Jahr 2014 ist es logisch, dass die Bewohner der Krim in einem Referendum die Wiedereingliederung nach Russland wollten. Das Kosovo auf dem Balkan ist ein ähnliches Problem. Der einzige Unterschied ist, dass das Kosovo infolge des NATO-Bombardements im Jahr 1999 und dem daraus folgenden westlichen Druck herausgerissen wurde.“

Auf die Frage, warum Montenegro sich im Jahr 2014 an Anti-Russland-Sanktionen beteiligt habe, obwohl es ein Nicht-EU-Mitglied war, sagte Milan Knezevic, die Regierung des Landes sei es gewesen, die beschlossen habe, die EU-Linie zu betreiben, anstatt mit Moskau verstärkt zusammenzuarbeiten. Dabei spürten die Sanktionen gegen Russland in erster Linie Montenegro selbst. Russland dagegen spürte die Sanktionen nicht mehr. „Deshalb nennen wir sie unsichtbare Sanktionen“, sagte er der Zeitung.

Die Wirtschaft Montenegros sei „sehr stark von russischen Investitionen und den russischen Touristen abhängig. Im vergangenen Jahr besuchten 330.000 Touristen aus Russland Montenegro [Einwohner Montenegro – 623.000 Anmerkung hmw]. Zwischen 2006 und 2017 war jeder dritte Tourist und jeder dritte Investor aus Russland. Außerdem leben etwa 15 bis 20.000 russische Staatsangehörige in Montenegro“, erläuterte er.

Montenegro stehe im Augenblick „buchstäblich am Rande eines sozialen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Die Verschuldung in Höhe von 2 Mrd. Euro ist das Ergebnis einer fehlerhaften Wirtschafts- und Sozialpolitik und einer katastrophalen Privatisierung. Montenegro hat auch wegen seiner Auslandsschulden alle Maastricht-Kriterien angenommen und liegt jetzt praktisch auf dem gleichen Niveau wie Griechenland, da die derzeitige Verschuldung das Gesamtbudget übersteigt“, erklärte Knezevic.

Irgendwelche „zusätzlichen Sanktionen [Russlands] in Form von Charterflugbeschränkungen oder Rücknahmen von Investitionen aus dem Land würden die Wirtschaft der Nation zerstören. Ich denke, dass Russland [stattdessen] persönliche Sanktionen verhängen sollte, zum Beispiel gegen die Abgeordneten, die der NATO beitreten wollen und verantwortlich sind für die Beeinträchtigung der Beziehungen zwischen Russland und Montenegro“, sagte Knezevic der Zeitung.

[Hanns-Martin Wietek/russland.NEWS]

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