Konfisziert Deutschland illegal russische Autos?

Konfisziert Deutschland illegal russische Autos?

Besonders in russischen Medien herrscht Aufregung: Fahrzeuge mit russischen Kennzeichen werden in Deutschland beschlagnahmt! Die Nachricht wird nicht nur von betroffenen Autoreisenden, sondern auch von politisch Interessierten aufgenommen: Russen werden in Deutschland stigmatisiert? Eher spärlich berichten deutsche Medien über die Konfiszierung von Pkw mit russischen Kennzeichen.

Reporter, Berichterstatter, Kommentatoren und Experten berufen sich auf Informationen russischer Konsulate und der Botschaft in Berlin, des russischen Verkehrsministeriums und der Bundeszollverwaltung. 

Auf Anfrage von russland.NEWS schrieb die Generalzolldirektion in Bonn: „Der Zoll überwacht die Einhaltung der EU-Sanktionen gegen Russland in den Bereichen der Ein-, Aus- und Durchfuhr sowie bei Verbringungen von Waren. Güter, die embargorechtlichen Verboten unterliegen, können sichergestellt bzw. beschlagnahmt werden. Gemäß EU-Sanktionsverordnung (Art. 3i VO (EU) Nr. 833/2014) ist es verboten, die in Anhang XXI zu dieser Verordnung aufgeführten Güter, unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die Union einzuführen oder zu verbringen, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden. Personenkraftwagen und andere Kraftfahrzeuge sind dort genannt und unterliegen damit grundsätzlich dem Verbot.“

Die Einfuhr (d.h. auch die Einreise) von Fahrzeugen mit russischer Zulassung nach Deutschland kann also zur Beschlagnahme der Fahrzeuge und sogar zur strafrechtlichen Verfolgung der Eigentümer führen – wegen Verstoßes gegen die Sanktionen und gegen § 18 „Strafvorschriften“ des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Dies scheint in etwa zehn Einzelfällen geschehen zu sein, worüber die russische Presse ausführlich berichtet: TassFontankaRBKMedusaKommersantThe Bell und Vpost-Media.

Die russische Botschaft schrieb in einem Tweet am vergangenen Donnerstag, von einigen Fällen zu wissen, bei denen deutsche Zollbehörden Autos von russischen Staatsbürgern konfisziert haben sollen. Russen wurde daher dringend empfohlen, keine Autos nach Deutschland einzuführen.

Deutsche Medien, die selten Informationen zurückhalten, berichten spärlich (Spiegel). Bisher sind keine Kommentare zu diesem Thema geschrieben worden. Nur der russischstämmige AfD-Abgeordnete Eugen Schmidt hatte Anfang der Woche über die mutmaßliche Beschlagnahmung von Autos berichtet.

Fakt ist, dass bis zum Ende vergangener Woche kein einziger Fall bekannt ist, in dem ein Fahrzeug eines russischen Touristen beschlagnahmt wurde, der die internationalen Kraftfahrzeugvorschriften und das deutsche nationale Recht in vollem Umfang eingehalten hat.  

Die Anforderungen in Deutschland entsprechen demokratischer Praxis und unterscheiden sich kaum von denen in den meisten anderen Ländern. Der Fahrzeughalter bzw. in diesem Fall der Fahrer muss im Besitz eines Reisepasses des Landes, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, oder der Wirtschaftsunion, der das Land angehört, sein, eines gültigen Touristen- oder Geschäftsvisums, einer Haftpflichtversicherung (grüne Karte), einer gültigen technischen Untersuchung oder eines Ersatzdokuments und in einigen Fällen eines Nachweises über die Einhaltung der europäischen Umweltnormen sein.

Die Maßnahmen sind in der EU-Verordnung 833/2014 beschrieben. In den 9 Jahren seit dem Erscheinen dieses Dokuments haben sich die Maßnahmen erheblich ausgeweitet – vor allem seit März letzten Jahres und dem 11. Sanktionspaket. Nach Artikel 3i ist es nämlich verboten, die in Anhang XXI des Dokuments aufgeführten Güter direkt oder indirekt zu erwerben, einzuführen oder weiterzugeben, wenn sie russischen Ursprungs sind oder aus Russland ausgeführt werden. Anhang XXI enthält den Eintrag 8703, der Personenkraftwagen, einschließlich Pkw, einschließt.

Da es möglich ist, dass der Eigentümer eines in Russland zugelassenen Fahrzeugs dieses verkaufen möchte, während es auf den Straßen eines Landes fährt, das zu einem anderen Wirtschaftsraum gehört, müssen die dortigen Zollbehörden ihre Interessen schützen – die Staaten verlangen bei der Einfuhr von Waren in einen anderen Wirtschaftsraum in der Regel eine Art Sicherheit für Zölle und damit verbundene Steuern. Würde diese Regelung auch für den Grenzübertritt von Kraftfahrzeugen gelten, käme der Kraftfahrzeugverkehr zum Erliegen oder wäre zumindest sehr umständlich.

Die Lösung wurde 1968 im Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr gefunden. In Artikel 1 heißt es: Ein Fahrzeug gilt als im Hoheitsgebiet eines Staates im „internationalen Verkehr“ befindlich, wenn es

  • einer natürlichen oder juristischen Person gehört, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb dieses Staates hat;
  • in diesem Staat nicht zugelassen ist
  • vorübergehend in diesen Staat verbracht wird.

Jede Vertragspartei hat jedoch das Recht, ein Fahrzeug nicht als im „internationalen Verkehr“ befindlich anzusehen, wenn es sich länger als ein Jahr ohne wesentliche Unterbrechung in ihrem Gebiet befindet.

Aufgrund der wachsenden Spannungen zwischen Deutschland und Russland beobachten die deutschen Zulassungsbehörden die nationale Gesetzgebung sehr genau und einige russische Bürger, die in der Klemme sitzen, beschlossen, mit einer Färbung der Angelegenheit zu reagieren. Das russische Außenministerium könnte die Situation durch eine offizielle Anfrage an seine deutschen Amtskollegen klären und gleichzeitig für Abregung sorgen.  

Der Mangel an Wissen über die Besonderheiten des internationalen Straßenverkehrs macht anfällig für Manipulation – die breite Öffentlichkeit hat das heiße Thema aufgegriffen.

Anzumerken ist, dass es für Russen mit Arbeitsvisum oder Aufenthaltsgenehmigung vorteilhaft ist, ein Auto mit russischem Kennzeichen in Deutschland zu fahren:  

  • Es entfallen die Kosten für die Zollabfertigung des Fahrzeugs und das Verfahren zur Bestätigung der Übereinstimmung mit der europäischen Zertifizierung (nicht alle in Russland verkauften Neufahrzeuge haben ein solches Zertifikat;
  • keine Kosten für eine deutsche Versicherung;
  • keine Kfz-Steuer;
  • Überwachungskameras sind wirkungslos, wenn ein Auto gegen die Regeln verstößt.

Außerdem ist die Beschlagnahme keine Pfändung und kann vor Gericht angefochten werden. Der Anwalt eines Betroffenen sagte, „der Status der Person, die das Auto einführt, und der erklärte Zweck der Einfuhr in dieser Situation sind von großer Bedeutung“.

[hrsg/russland.NEWS] 

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