Kinder der Arktis: Innovative Erziehung für Nomadenkinder

Mobile Lehrer und wandernde Schulzelte sollen für indigene Völker die Chancengleichheit beim Zugang zur Bildung verbessern. Seit 2011 existiert im autonomen Bezirk Jamal-Nenzen das Projekt ‚Nomadische Schule’. Über zwanzig regionale Bildungseinrichtungen bieten Bildung in der Tundra an: Siebzehn Zelt-Kindergärten und fünf Schulen, wo mehr als 200 Kinder lernen können. Auf dem jüngsten Arktis-Forum in Arkangelsk beschlossen die regionalen Behörden, zumindest in fünf russischen Regionen nomadische Kindergärten und Schulen einzurichten. Die Lehrer bewegen sich von Ort zu Ort, indem sie den Rentierhirten und deren Kindern in der endlosen Tundra folgen – das Projekt ‚Kinder der Arktis‘ ist das erste Bildungsprojekt für Kinder von indigenen Völkern der arktischen Zone.

Im Mai 2016 präsentierten innovative Pädagogen aus Jamal ihre ‚Schule der nationalen Besonderheiten’ vor den UN. Erstmalig war die nomadische Lebensweise Thema internationaler Diskussionen. Dmitri Kobylkin, Gouverneur der Jamal-Nenzen, erinnert sich: „Als wir das Projekt ‚Nomadische Schulen’ bei den UN vorstellten, hörten meine Kollegen aus anderen Ländern mit offenen Mündern zu, sie konnten sich sogar nicht vorstellen, dass so etwas möglich ist.“

Bisher mussten die Kinder im Alter von sieben Jahren ihre Familien verlassen und bis zu neun Monaten in Internatsschulen leben. Eine Praxis mit großen Nachteilen, wie Igor Barinow, Chef der Föderalen Agentur für nationale Minderheiten, freimütig zugibt: „Die Kinder verloren die Beziehungen zu den Familien, sie konnten sich nicht in die neuen Bedingungen integrieren und wurden so von der traditionellen Lebensweise abgeschnitten. Dieses Projekt der Nomadenschulen ändert diese Praxis absolut, denn jetzt ist es eine Erziehung, die zum Kind kommt.“ Wir haben alles Gute aus sowjetischen Erfahrungen genommen und mit internationalen Praktiken kombiniert, um an „die pädagogischen Gewohnheiten anknüpfen zu können, mit denen die Muttersprache, die Traditionen und die Bräuche der indigenen Völker vermittelt werden“, so Barimow.

Nomadische Schule

Der Lernprozess ist in das Leben der Nomaden eingebettet. Die Lehrer leben entweder in Zelten neben den Hirten und folgen den Rentieren über die Tundra oder sie benutzen Geländewagen, um mehrere Tage in der Woche in Nomadenlagern Unterricht geben zu kommen.

Die Kinder werden in Hauptfächern unterrichtet: Russisch, Mathematik, Lesen, Kunst und Technik. Letzteres ist ein ungewöhnliches Fach, aber für die in der Tundra Lebenden immens wichtig. Darin lernen die Kinder, wie man Hirschhaut gerbt, um Pelze zu nähen. sie erhalten Fähigkeiten beim Angeln und Jagen. Bisher sind in Jamal nur Grundschulen nomadisch eingestellt, da es für die kleinen Kinder am schwersten ist, sich von ihren Familien zu trennen. Jede Familie hat die Wahl – entweder ein Kind erhält die nomadische Ausbildung oder es geht auf ein Internat.

Die Zelte, die als Klassenraum dienen, sind mit Multimedia- und Digitaltechnik modern ausgestattet. Wir haben eine mobile Computerklasse, einen Multimediaprojektor und digitale Mikroskope“, heißt es aus der zuständige Behörde. „Wir haben Entwicklungsspiele, Lego-Bausätze und Roboter-Sets. Bücher, Methoden und TV-Bildungsprogramme sind in elektronischer Form verfügbar. Elektrizität wird von Generatoren produziert.“

Kinder der Arktis – von UN empfohlen

Neben den fünf russischen Regionen (autonome Bezirke Jamal-Nenzen und Chanty-Mansijsk, Republiken Komi und Sacha/Jakutien, Region Archangelsk) beteiligen sich Norwegen und Finnland. Zuerst will man in Jamal ein Pilot-Projekt starten, um so zusammen mit vielen Kollegen Erfahrungen in der Organisation Nomadischer Erziehung Bildung zu machen.

„Wir wollen das Beispiel von Jamal verwenden, um in Jakutien ein Netzwerk von nomadischen Kindergärten und Familiengruppen zu gründen. In den Zelt-Klassen können Nomadenfrauen arbeiten, indem sie sich um die Kinder kümmern und dafür Geld bekommen. Wir haben viele Modelle für die Vorschulerziehung, aber gemeinsam mit anderen Regionen, die an dem Projekt teilnehmen, sollten wir einen gemeinsamen Ansatz wählen“, plant das jakutische Ministerium für Bildung und Wissenschaften. Hauptziel sei, die Traditionen und Kulturen der Völker zu bewahren, die in der Arktis leben. „Sie sind echte Besitzer des Nordens, und sie sollten im frühen Alter über ihre Sprachen, Traditionen, Kultur für die Weiterentwicklung dieser Gebiete verfügen“, fuhr sie fort.

Von 2017 bis 2019 wird das System der Vorschulerziehung umgesetzt und dann folgt ein Programm zur Ausbildung von Spezialisten an Schulen und Universitäten. Noch wird das mehrstufige Projekt aus regionalen Bildungsprogrammen finanziert, aber in Zukunft will sich Moskau an dem Programm ‚Kinder der Arktis’ beteiligen.

Nomaden-Lehrer

Nomadische Lehrer sind Profis, die nicht nur die Muttersprache, nationale Bräuche und Traditionen kennen, sondern auch Geländewagen fahren, Satellitenkommunikation zu nutzen wissen und unter extremen Bedingungen überleben können. Zur Zeit studieren am ‚Jamal College‘ 32 zukünftige Lehrer. In der Regel sind die Studenten dieser Fachausbildung Einheimische – Kinder von Rentierhirten.

Ab 2017 kann man sich in St. Petersburg an der Pädagogischen ‚Herzen-Hochschule‘ zum Nomaden-Lehrer ausbilden. Außerdem haben Universitäten in Jakutien und Archangelsk zugesagt, dass sie mit dem Training für zukünftige Lehrer mit nomadischer Zusatzausbildung beginnen wollen. Vorerst rechnet man mit einem Bedarf von zweihundert Spezial-Lehrern.

[hub/russland.RU]

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