In Erinnerung an Irina Antonowa – ein Nachruf ihrer Nachfolgerin Marina LoschakIrina Antonowa © Puschkin-Museum

In Erinnerung an Irina Antonowa – ein Nachruf ihrer Nachfolgerin Marina Loschak

Irina Antonowa, die langjährige Direktorin des Puschkin-Museums und ausgewiesene Expertin in der Kunst der Renaissance, ist im Alter von 98 gestorben ist, teilte das Museum   am Dienstag mit. Antonowa wurde 1922 in Moskau geboren. Als Kind verbrachte sie mehrere Jahre im Vorkriegsberlin, wo ihr Vater in der sowjetischen Botschaft arbeitete. Die Familie Antonowa kehrte nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland nach Moskau zurück. 1940 begann sie, Literatur und Geschichte zu studieren und wechselte ein Jahr später zur Kunstgeschichte. Nach dem 1945 mit Auszeichnung abgeschlossenen Studium bekam sie im April 1945 eine Stelle im Puschkin-Museum der Schönen Künste. In ihren Interviews hat Antonowa wiederholt gesagt, dass sie sich nicht sofort in das Museum verliebt hat, da das Nachkriegsmuseum einen deprimierenden Eindruck hinterlassen hat. Eine besondere Beziehung pflegte Antonowa, die fließend Deutsch, Französisch und Italienisch sprach, für westliche Kunst. Sie brachte epochale Ausstellungen in die russische Hauptstadt. Hier ein Nachruf von Marina Loschak, die seit 2013 die Geschicke des Museums leitet:

„Es ist schwer, sich das Puschkin-Museum ohne Irina Aleksandrowna Antonowa vorzustellen, die zu seiner unveränderlichen Komponente, seinem Gesicht, seinem Symbol geworden ist. Sie ist ein Teil von Puschkins Mythos in all seinen Erscheinungsformen. Sie kam 1945 als junges Mädchen ins Museum, und bis heute, mit Ausnahme einiger Monate dieses Jahres im Zusammenhang mit dem Coronavirus, kam sie fast jeden Tag ins Museum, und wir sind es gewohnt, sie in unserer Nähe zu wissen.

Selbst wenn wir nicht mit ihr über Geschäfte sprachen, selbst wenn wir einfach das Rascheln von Papieren oder den Klang ihrer Stimme vor der Tür ihres Büros hörten, wussten wir, dass sie da war und spürten ihre Anwesenheit. Die Anwesenheit einer Person, die sehr emotional, sehr offen, liebevoll und sehr streng in ihrer Lebenseinstellung ist. Es fällt mir schwer, eine Institution wie uns zu nennen, die mit dem Bild einer Person so eng gewachsen wäre wie Puschkin-Museum und Irina Antonowa.

Irina Aleksandrowna war ein absolut furchtloser Mensch – furchtlos als Profi, furchtlos als Person. Eine Person, die während ihres gesamten Berufslebens sehr kluge Schritte in Richtung des Neuen gezeigt hat, die bereit ist, Risiken einzugehen. Dies waren die Handlungen eines Menschen, der versteht, dass Prinzipien wichtiger als alles andere sind.Irina Alexandrownas Arbeit im Museum fiel in eine ziemlich schwierige Zeit – in die sowjetischen Jahre, als vieles, was wir heute gewohnt sind, verboten war. Deswegen sind ihre Errungenschaften besonders wertvoll: die Ausstellung „Moskau – Paris. 1900 bis 1930″ (1981), Ausstellung“ Moskau – Berlin. 1900 bis 1950“ (1996), der «Besuch» von „Mona Lisa“ im Museum und viele Ausstellungen, die mit den Namen der bedeutendsten Künstler der Welt verbunden sind. Vorausgegangen war ihre Arbeit für die Sammlung der Dresdner Gemäldegalerie Alter Meister, die in Moskau restauriert und im Juni 1956 nach Dresden zurückgegeben wurde.

Das Schicksal dieser Person ist direkt mit der Geschichte des Museums verbunden, siegreich und einzigartig in jedem Augenblick ihres Lebens. Wir, die Mitarbeiter des Museums, werden sie vermissen, ihre kompromisslose Lebenseinstellung, ihre ehrliche Meinung, ihre Aufgeschlossenheit, ihre Fähigkeit, sich vom Augenblick zu entfernen und Mut zu zeigen. Wir werden diesen Menschen vermissen, der sicherlich ein Teil von uns und Teil unseres eigenen Lebens bleibt.“

COMMENTS