Fans wollen von Englands WM-Boykott nichts wissen

Die Vergiftung des Ex-Spions Skripal in England löste erneut Debatten über eine mögliche Verweigerung der WM-Teilnahme in Russland aus. Während man sich in Deutschland mehrheitlich für das Mitwirken an dem Turnier entschieden hat, befindet sich England offenbar weiterhin auf der Suche nach Sympathisanten für seinen Boykott-Feldzug.

Es erinnert ein bisschen an die Kreuzzüge im Mittelalter zu denen Päpste und Könige aufriefen und dafür Mitstreiter im ganzen Abendland umwarben. Heute ist der Fußball die Metapher des heiligen Grals und Russland wurde die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ebenso wenig gegönnt, wie einst das gelobte Land den Sarazenen. Mit dem Anschlag auf den ehemaligen Oberst des russischen Geheimdienstes bekam ein möglicher Boykott der Veranstaltung neue Nahrung.

„Es wird sehr schwer vorstellbar sein, dass eine britische Teilnahme an dem Ereignis wie sonst auch ablaufen kann“, sagte Englands Außenminister Boris Johnson kurz nach dem Attentat, für das sich nun laut der britischen Regierung einzig allein Russland verantworten müsse. Während sich Johnson da noch nicht klar äußerte, welcher Art Englands Absage sein solle, erwog die britische Regierung ein Fernbleiben von Politikern und Repräsentanten.

Britische Medien gespalten

Die britische Daily Mail springt wie gewohnt auf den fahrenden Zug und widmet dem Thema WM-Boykott gleich die komplette Titelseite. Da fragt das Boulevard in großen Lettern: „Wie können wir zu Putins WM fahren?“ Die Times sieht es etwas gemäßigter und erklärt die zur Option stehende Verweigerung einer Teilnahme zur Symbolpolitik, die auf dem Rücken der Mannschaft und der Fans ausgetragen werde.

Hätten schon Politiker, Diplomaten und Geschäftsleute jahrelang nicht geschafft sich von Russland abzuwenden, so schreibt die Zeitung, sollen dies nun die Nationalmannschaft und mit ihr die Fans bewerkstelligen. Laut der britischen Sportmail hätten sich die Offiziellen im englischen Fußball ohnehin nur über die wachsende politische Krise unterhalten. Demzufolge glaube der englische Verband, die Football Association FA, nicht wirklich daran, dass sich die Regierung ernsthaft mit einem Boykott beschäftige.

Stimmung unter das Fußvolk versucht derweil der Vorsitzender der außenpolitischen Kommission des Unterhauses, Tom Tugendhat, zu bringen. Das hochrangige Parlamentsmitglied bedient sich im BBC Radio 4 der unterschwelligen menschlichen Tugenden und versucht den Faktor Angst bei den Fans zu wecken. Tugendhat glaubt zu wissen, dass sich Russland wegen der Reaktionen der britischen Regierung nun auf die mitreisenden englischen Anhänger stürzen werde, um sich stellvertretend an ihnen zu rächen.

Politik auf dem Rücken der Fans

Nun sei die Regierung gefragt, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, dass „britische Anhänger nicht in irgendeiner Weise in die Politik hineingezogen werden“, sagte Tugendhat gegenüber dem Sender. Der Daily Star setzt dagegen auf Katastrophenszenarien und Anschläge durch den IS, was ja in Russland schließlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit vorkomme. Süffisant stellt das Blatt die Frage, ob sich englische Fans überhaupt in einen russischen Flieger setzen sollten und verweist auf die Flugzeugunglücke in vergangener Zeit.

Es steht eigentlich nur noch zu erwarten, dass Premierministerin Theresa May durch andere europäische Länder tingelt, um Mitstreiter für den britischen Russland-Kreuzzug zu finden, die ebenfalls gewillt sein könnten, dem WM-Ausrichter die kalte Schulter zu zeigen. Die Nachrichtenagentur Interfax warnt hingegen in aller Deutlichkeit davor, derart provokative Statements zu benutzen und unter den Fans Anti-Russische Hysterie zu verbreiten. Dies könne die Beziehungen nur verschlechtern.

DFB erteilt Boykott klare Absage

Relativ verständnislos für einen Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft zeigt man sich jedoch bei den Deutschen. „Der DFB setzt auf Dialog und nicht Boykott“, so die unmissverständliche Botschaft vom Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel. „Ein Boykott, das haben die Olympischen Spiele 1980 in Moskau gezeigt, ändert nichts an politischen Missständen“, erklärt Rainer Koch, der Vizepräsident. Seiner Ansicht nach sei eine solche sportliche Großveranstaltung wie das Weltturnier, eine Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und im Dialog zu bleiben.

Bundestrainer Jogi Löw sagt artig, was er schon immer gesagt hat, um sich ja nicht zu weit zu solchen Themen aus dem Fenster zu lehnen. „An einer WM teilzunehmen, bedeutet ja nicht, dass wir uns mit einem System, Regime oder Machthaber gemein machen. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren – egal, wo wir spielen, stehen wir immer für unsere Werte ein.“ Laut Team-Manager Oliver Bierhoff habe man dieses Jahr sowieso noch keine Gelegenheit gehabt, die Mannschaft auf die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten im Gastgeberland vorzubereiten, wie es normalerweise der Fall sei.

Auch die Fans der deutschen Fußball-Nationalmannschaft haben sich gegen eine Verweigerung der WM 2018 in Russland ausgesprochen. Eine, vom Kampfblatt der deutschen Politik, der Bildzeitung, eilig in Auftrag gegebene Umfrage brachte zutage, dass lediglich 21 Prozent einen Boykott gutheißen würde. Ein Viertel aller Befragten hatte sogar überhaupt keine Meinung dazu. So wie es sich abzeichnet, steht England mit seinen Boykottgedanken relativ allein auf dem Spielfeld. In dem Fall kann nicht einmal der große Bruder aus Amerika helfen, denn der hat sich gar nicht erst für das Turnier qualifizieren können.

[mb/russland.NEWS]

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