„Europa sollte dem Beispiel der Finnen folgen“

„Europa sollte dem Beispiel der Finnen folgen“

Der finnische Präsident Sauli Niinisto wird am 29. Oktober zu einem offiziellen Besuch nach Russland reisen. Er wird unter anderem Präsident Putin treffen. Dies wurde zuvor vom Kreml bestätigt. Auf der Website des finnischen Staatsoberhauptes heißt es, dass die Präsidenten die bilateralen Beziehungen sowie regionale und internationale Fragen erörtern werden. Maxim Jusin vom Kommersant glaubt, dass Niinisto bei den Gesprächen mit Putin nicht nur sein Land, sondern die gesamte Europäische Union vertreten wird.

Der unerwartete Besuch des finnischen Präsidenten in Russland, für den es keine Vorbereitungen gab, geht weit über die bilateralen Beziehungen hinaus. Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass Sauli Niinisto dieses Mal mit Wladimir Putin nicht nur als Vertreter seines Landes, sondern auch als Abgesandter der gesamten Europäischen Union, deren Dialog mit Moskau in letzter Zeit in eine Sackgasse geraten ist, zusammentreffen wird.

Seit dem gescheiterten Besuch des europäischen Chefdiplomaten Josep Borrell in Moskau haben die russischen Behörden keinen Kontakt mehr zur EU. Seitdem haben sich die Beziehungen zu Brüssel in einen Austausch von Bemerkungen und Anschuldigungen verwandelt, die zunächst von Borrell selbst (mit besonderem Vergnügen – offensichtlich war er durch diesen unglücklichen Besuch sehr verletzt), dann von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und schließlich vom Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, geäußert wurden.

Russische Politiker blieben nichts schuldig und machen deutlich, dass sie von nun an einen Dialog mit Europa nicht über Brüssel, sondern nur in einem bilateralen Format führen werden – mit den Staaten, die respektvoll mit Moskau kommunizieren und seine Argumente wahrnehmen können. Das Problem ist jedoch, dass es in Europa immer weniger dieser Staaten und Politiker gibt.

Der wichtigste Partner Russlands, Deutschland, erlebt einen grundlegenden Wechsel in der Politik. Angela Merkel geht, und es ist nicht klar, wie sich die Beziehungen zur neuen Regierungskoalition entwickeln werden. Und in Berlin gebe es im Moment sowieso niemanden, mit dem man reden kann – der neue Bundeskanzler kommt vielleicht erst im neuen Jahr, so Jusin.

In Frankreich steht Präsident Emmanuel Macron vor einem sehr schwierigen Wahlkampf. Darüber hinaus werden die Beziehungen zwischen Paris und Moskau von einem erbitterten Ringen um Einfluss in jenen afrikanischen Ländern überschattet, die die Franzosen als eine Zone ihrer besonderen Interessen betrachten und in die die Russen zunehmend vordringen.

Ein weiterer Gesprächspartner, der sich mit Moskau gut versteht, der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, wurde kürzlich zum Rücktritt gezwungen. Und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat einen schlechten Ruf in der EU und ist selbst in vielen Fragen gegen Brüssel. Es zeigt sich also, dass es in Europa fast keine „guten Vermittler“ mehr gibt, die in der Lage wären, ein glaubwürdiges Gespräch mit Putin zu führen, um seine Absichten (vor allem im Gasbereich und in Bezug auf die Ukraine) zu klären und ihm die Sorgen und Ängste der Europäer zu vermitteln.

Es gibt heute in Europa nur noch eine solche Führungspersönlichkeit, den Präsidenten von Finnland. Er kennt Putin sehr gut, hat ihn mindestens zehnmal getroffen, findet den richtigen Ton, kommuniziert offen, aber gleichzeitig respektvoll, vermeidet Konfrontationen und vergisst dabei seine wirtschaftlichen Interessen nicht.

Das ist es, was die Beziehungen Helsinkis zu Moskau seit der Sowjetzeit traditionell auszeichnet. In diesem Sinne sollte die finnische Ostpolitik als Beispiel für das übrige Europa dienen. Natürlich, wenn sie nicht, wie einige osteuropäische Staaten, die Konfrontation mit Moskau als Selbstzweck sehen.

Der finnische Pragmatismus und die Fähigkeit, sich nicht mit historischen Kränkungen und Phobien aufzuhalten, könnten die Grundlage für eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und der Europäischen Union sein. Doch leider sind es nicht nur die Finnen, die die EU-Politik gegenüber Russland bestimmen.

[hrsg/russland.NEWS]

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