„Christi-Taufe-Fröste“ – so nennt man in Russland klirrende Kälte bis zu minus 28 Grad, die oft in der zweiten Januarhälfte herrscht. Vor zwei Jahren waren aber die Flüsse zum Beispiel gar nicht vereist, zumindest im europäischen Teil Russlands, und in Moskau zeigte das Thermometer fast Plusgrade. Dieses Jahr liegen die Temperaturen bei minus vier Grad und es schneit seit mehr als 24 Stunden ununterbrochen.
Warum erzähle ich es Ihnen? Am 19. Januar feiert die Russisch-Orthodoxe Kirche nach dem julianischen Kalender das Fest der Taufe Christi durch Johannes den Täufer im Wasser des Jordan, das auch als „Große Wasserweihe“ bekannt ist. Die Taufe-Jesu ist eines der wichtigsten orthodoxen Feste. So verwundert es nicht, dass mit diesem Tag mehrere Volksglauben verbunden sind. So glaubten unsere Vorfahren, dass klares und kaltes Wetter am Christi-Taufe-Fest einen trockenen Sommer verheißt, während wolkiges und kaltes Wetter auf eine reiche Ernte hindeutet. Ein voller Mond bedeutete eine Frühjahrsflut.
Das eigentliche Fest fällt auf den 19. Januar, aber die Gottesdienste beginnen in der Nacht davor, am Heiligen Abend, statt. Für viele gläubige und nicht gläubige Russen gehört das Eisbaden in der Nacht des Christi-Taufe-Festes zur Tradition. Es wird ein Loch in Form eines Kreuzes im Eis gemacht und der Priester zelebriert die Wasserweihe, in dem er das Kreuz drei Mal ins Wasser taucht. Danach springt man ins eiskalte Wasser. In dieser Nacht werden alle Gewässer geweiht.
Allein in Moskau nehmen jährlich mehrere Tausende an dieser Zeremonie teil. In diesem Jahr hat man in der russischen Hauptstadt 57 spezielle Stellen mit Umkleidekabinen und WCs errichtet, wo Gläubige in das eiskalte Wasser eintauchen können. Auf unzähligen Internetseiten kann man sich informieren, wo es Möglichkeiten zum Eisbaden gibt und welche Regeln man beachten sollte. Traditionell öffnen die Taufbecken am 18. Januar um 18 Uhr und schließen am 19. Januar um 18 Uhr. Polizei und Notärzte sind immer vor Ort. Am Vorabend des Festes wird jede der offiziellen Taufstellen vom Ministerium für Notsituationen inspiziert, wobei die Dicke und Sicherheit des Eises gemessen und geprüft wird, ob Deck, Zäune und Geländer vorhanden sind.
Doch was viele für ein religiöses Ritual halten, ist in Wirklichkeit ein alter Brauch, der zwar nicht zwingend zum Fest selbst gehört, aber unter (auch nicht gläubigen) Russen sehr populär ist. Ob Gewässer mit viel oder wenig Eis bedeckt sind oder gar nicht, hat mit dem eigentlichen Fest nichts zu tun. Viele Priester warnen davor, ohne Vorbereitung ins eisige Wasser zu springen, denn weder bringe das eine Erlösung, noch könne es von allen Sünden befreien.
„Nicht das Eisbaden, sondern die Beteiligung an der heiligen Liturgie und an der Heiligen Kommunion ist der Sinn des Festes“, erklärt Erzpriester Dmitry Sobolevskiy, Vorsteher der St. Nikolaus Gemeinde in Ratingen, Erzdiözese der russischen Kirchen in Europa. Die Diskussionen darüber, ob es Eis gibt oder nicht, seien für einen Christen absolut sinnlos. Die Tradition des Eintauchens ins Wasser zur Christi-Taufe sei leider für viele eine Verwechslung des wichtigen religiösen Festes mit einem Jahrmarkt. Denn der Jordan war auch nicht mit Eis bedeckt, als Jesus dort getauft wurde, so der russische Pfarrer.
„Es sollte daran erinnert werden, dass die magische Einstellung zum Wasser nichts mit dem Christentum zu tun hat. Übrigens, diese beliebte Tradition des sogenannten Taufe-Christi-Badens in einem kalten Eisloch ist noch recht jung, sie entstand erst nach der Sowjetzeit. Vor der Revolution gab es diese Tradition nicht. Das heißt, es handelt sich nur um eine Volkstradition, die nichts mit dem kirchlichen Leben zu tun hat. Die Sünden können auf diese Weise nicht weggewaschen werden. Das Baden in einem Eisloch ist eher ein Zeitvertreib, ganz abgesehen davon, dass es für viele Menschen aus gesundheitlichen Gründen schlichtweg kontraindiziert ist“.
Wie feiert man denn dieses wichtige Fest richtig? Am 18. Januar strömen die Gläubigen in die Kirchen, um geweihtes Wasser nach Hause zu holen. Diesem Wasser wird in der orthodoxen Welt eine besondere Kraft und Bedeutung zugesprochen. Bis zur nächsten Weihe wird das Wasser zu Hause aufbewahrt. Die Orthodoxen glauben, dass Christi-Taufe-Wasser eine heilende Wirkung besitze. Man trinkt es nicht nur, sondern besprenkelt damit das Haus. „Das Wasser, das in dieser Nacht aus einem Eisloch oder aus einem Brunnen geschöpft wird, hat starke Heilkräfte. Es ist ein wundertätiges Wasser, ein heiliges, das Jesus Christus durch seine Taufe geweiht hat. Es kann nicht verderben, auch wenn man es lange stehen lässt“, schrieb der russischer Schriftsteller Andrej Sinjawski.
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]
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