„Eine Welt voller Möglichkeiten“ – neue Einblicke in Putins familiäres Umfeld@ russland.NEWS

„Eine Welt voller Möglichkeiten“ – neue Einblicke in Putins familiäres Umfeld

„Die heutige Ausgabe von IStories hat den vielleicht meist erhellenden Artikel des Jahres aus der Reihe Leben und Geschäft des neuen russischen Adels veröffentlicht“, beginnt das russische Wirtschaftsportal The Bell einen Enthüllungsartikel über die IStories-Ermittlungen, über die auch die Zeitung Medusa und andere Medien berichten.

Darauf gestern während einer Pressekonferenz angesprochen sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow, der Kreml wisse, wer hinter „solchen Informationsübungen“ stehe und „zu diffamieren“ versuche, weigerte sich aber, die angeblichen Organisatoren zu nennen. „In der Regel passt das alles – manchmal gekonnt, manchmal nicht – zu verschiedenen Gerüchten, die oft nichts mit der Realität zu tun haben. Und wir behandeln dies entsprechend.“

Es geht in der Story um den mutmaßlichen ehemaligen Schwiegersohn des Präsidenten Kirill Schamalow. Der Sohn von Wladimir Putins Freund Nikolai Schamalow soll von 2013 bis 2017 der Ehemann von Putins Tochter Katerina Tichonowa gewesen sein. Im Jahr 2013 wurde Schamalow Aktionär des größten russischen Petrochemie-Konzerns Sibur mit 3,8 Prozent der Aktien. Im Jahr 2014 kaufte er weitere 17 Prozent der Sibur-Aktien von einem anderen Freund von Putin, Gennady Timchenko. Zu einem Preis, der jetzt im Mittelpunkt der Geschichte steht. Der Deal erlaubte Schamalow im Alter von 32 Jahren als jüngster Milliardär in die russische Forbes-Liste aufzusteigen.

Das und vieles mehr geht aus Schamalows Korrespondenz hervor, die – 10.000 Schreiben aus dem Zeitraum zwischen 2003 bis 2020 – als Teil einer Datenbank mit gehackten E-Mails (773 Millionen Adressen) unter dem Namen Sammlung Nr. 1 im Januar 2019 von einer anonymen Quelle zugänglich gemacht wurde. Darin geht es um Beschreibungen von Luxushäusern auf der Rubljowka und Biarritz sowie Wolkenkratzer in Moskau und Beschreibungen von Offshore-Geschäften. Lesen Sie selber die vollständige Untersuchung hier und hier.

Journalisten von IStories haben nach eigenen Angaben bereits viele Male an Ermittlungen teilgenommen, die auf gehackter Korrespondenz beruhten. In einem Fall versuchte der Betroffene sogar, die Veröffentlichung der Texte durch die Gerichte zu verbieten. Das russische Gericht war jedoch auf der Seite der Journalisten, da die Veröffentlichung der gehackten Korrespondenz, wenn sie für die Öffentlichkeit wichtige Informationen enthält, legal ist.

So stellte das Veröffentlichen von Datenlecks aus anonymen Quellen die Redaktion vor eine schwierige journalistische Entscheidung. Erstens ist die Echtheit von allen Dokumenten, die von einer unbekannten Partei erhalten wurden, generell in Frage zu stellen. Um das Schamalow-Archiv zu überprüfen, wurden die E-Mails zunächst von Datenanalysten von OCCRP analysiert und aufbereitet. Reporter von IStories prüften sie dann fast ein Jahr lang: Sie haben E-Mails verglichen, mit Absendern gesprochen und Informationen in Unternehmensregistern, Immobiliendatenbanken, sozialen Netzwerken und anderen öffentlich zugänglichen Quellen erschlossen. Ihr Fazit ist, dass „die E-Mails echt sind“.

Ein weiteres Problem bestehe in der Wahrung der Privatsphäre. Bei der Gewährung des Zugriffs auf das Material forderte die Quelle, keine medizinischen Unterlagen zu veröffentlichen, woran sich die Journalisten folglich hielten. IStories und OCCRP haben ebenfalls beschlossen, das Archiv nicht wahllos freizugeben. „Was in dieser Untersuchung verwendet wird, reicht gerade aus, um eine Geschichte zu erzählen, die im öffentlichen Interesse liegt.“

Bei der Entscheidung, diese Untersuchung jetzt zu veröffentlichen, hätten die Journalisten außerdem die Meinung von Wladimir Putin berücksichtigt. 2016 sprach er über die ethische Frage der Offenlegung von Informationen, die Benutzern gestohlen wurden, und die Position des russischen Präsidenten in dieser Angelegenheit stimmt mit der Haltung von Journalisten überein. „Schau, ist es wirklich wichtig, wer diese Daten gehackt hat? Ist es wirklich wichtig? Es ist wichtig, dass diese Informationen veröffentlicht wurden. Es besteht keine Notwendigkeit, die öffentliche Aufmerksamkeit vom Kern des Problems abzulenken, indem unbedeutende Fragen im Zusammenhang mit der Suche nach denjenigen aufgeworfen werden, die es getan haben“, sagte Putin in einem Interview mit Bloomberg über das Hacken der E-Mails von Mitgliedern der Demokratischen Partei der USA durch Cyberkriminelle, die für den russischen Militärgeheimdienst gearbeitet haben sollen.

Kein Wunder also, dass Kremlsprecher Peskow versicherte, dass Putin sich keine Sorgen um Veröffentlichungen über sein persönliches Leben und seine Gesundheit mache. Solche Veröffentlichungen haben den Präsidenten immer begleitet, und er habe ihnen nie Beachtung geschenkt. Ansonsten habe sich an Putins Position in Bezug auf die Verbreitung von Informationen über seine Familie nicht geändert. „Die Einstellung des Präsidenten ist allen Bürgern bekannt, und die Bürger stimmen ab und haben wiederholt abgestimmt und ihre Unterstützung für den Präsidenten und seine Angelegenheiten zum Ausdruck gebracht, und nicht die Familie des Präsidenten.“

Peskow bemerkte separat, dass Veröffentlichungen über die Gesundheit des Präsidenten „völliger Unsinn“ seien. „Es gibt überhaupt keinen Anstand mehr. Hätten sie zumindest   gefragt, wir hätten geantwortet.“

[hrsg/russland.NEWS]

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