In diesem Jahr gedenken die Russen den 74. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg. Für einen Außenstehenden ist es nicht einfach zu verstehen, warum dieser Tag auch nach so langer Zeit eine so große Bedeutung für die Russen hat. Allein die Benennung des Zweiten Weltkrieges als „Großer Vaterländischer Krieg“ ist vielsagend. Denn nur so und nicht anders heißt der Zweite Weltkrieg in Russland.
Der Preis für diesen Krieg waren 27 Millionen Menschenleben. Es gab keine einzige Familie in der ehemaligen Sowjetunion, die vom Krieg verschont blieb. Vier Jahre enormer Anstrengungen, Verluste, Hunger, Nöte, Bombenangriffe, Zerstörung… Deswegen ist es in erster Linie ein Tag „mit Tränen in den Augen“, wie es in einem alten sowjetischen Lied heißt, das jedes Jahr an diesem Tag überall zu hören ist. Der 9. Mai spielt eine ungeheuer große Rolle in der russischen Kultur und im Volksgedächtnis. Nach all den Turbulenzen der Umbruchjahre, nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Durchbruch des Kapitalismus, ist der Tag des Sieges etwas, was die Nation einigt. „Der 9. Mai ist für jeden russischen Bürger heilig“, so erklärt die Bedeutung dieses Festes eine russische Internetseite.
Der Große Sieg über den Faschismus, wie man dieses Datum in Russland nennt, ist nicht nur das Schlüsselereignis der Weltgeschichte, sondern auch ein Eckpfeiler im Selbstverständnis und in der Selbstidentifikation der Nation heute. Laut einer Befragung des Allrussischen Meinungsforschungsinstituts WZIOM im Jahre 2018 haben 63 Prozent der Russen ausgesagt, dass der Sieg im Zweiten Weltkrieg das wichtigste historische Ereignis ist, an das sich jeder erinnern muss. Und das oben schon erwähnte Lied „Tag des Sieges“ wurde direkt hinter der Nationalhymne genannt als ein Musikstück, das die Russen vereint.
In den letzten Jahren hat die Bedeutung dieses Tages in der russischen Gesellschaft nicht nachgelassen, sondern ist eher gestiegen. Der 9. Mai ist zu einem der wichtigsten Nationalfeiertage geworden. Noch 2012 wollten nur 37 Prozent der Russen an Feierlichkeiten teilnehmen. Voriges Jahr waren es schon 55 Prozent (Angaben vom WZIOM).
Die meisten russischen Bürger interessieren sich auch für die Siegesparaden und meinen, dass die Paraden helfen, die Geschichte nicht zu vergessen, die Erinnerungen an die Heldentaten des Volkes zu bewahren (34 Prozent) und unseren Vorfahren Dank auszusprechen (32 Prozent). Laut WZIOM haben 29 Prozent der Befragten an solchen Paraden teilgenommen und 65 Prozent sie im Fernsehen verfolgt (Umfragen von 2018).
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]
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