Ein russisches Wintermärchen: Erinnerungen an die Olympischen Spiele in Sotschi

Ein russisches Wintermärchen: Erinnerungen an die Olympischen Spiele in Sotschi

Gestern vor fünf Jahren saßen Milliarden von Fans überall auf der Welt vor den TV-Bildschirmen. Um 20:14 Uhr Moskauer Zeit begannen in Sotschi die Olympischen Winterspiele mit einer grandiosen Show im Fischt-Stadion. Vor allem im Vorfeld hatten westliche Medien die Olympischen Winterspiele in Russland kritisiert. Doch am Ende waren sich alle Beobachter einig. Die Organisation der Olympischen Winterspiele 2014 verlief reibungslos, die neu gebauten Stadien und Sportobjekten gehören inzwischen zu den weltweit besten.

Am Donnerstag blickten die Russen auf ihre Olympischen Spiele zurück. Haben sich die buchstäblich gigantischen Anstrengungen überhaupt gelohnt? Was ist von der tollen Atmosphäre dieser Tage geblieben? Und vor allem – wie werden die Sportanlagen genutzt?

Als Russland im Jahre 2004 den Antrag auf die Durchführung der Spiele einreichte, gab es mehr Skeptiker als Optimisten. Die Stadt Sotschi glich damals eher einer billigen Markthalle als einem Ort, der sich für internationale Sportereignisse eignet. Die Straßen befanden sich in desolatem Zustand. Die sich zum Wintersportressort Krasnaja Poljana hochschlängelte, nannte der Volksmund „Erbarme und errette“ – ständig kam es zu üblen Unfällen. Der in der Sowjetunion so bekannte und florierende Urlaubsort Sotschi war vor den Spielen nur ein Schatten seiner selbst. Riesige Sanatorien und Hotels standen leer und verlassen in den wunderschönen Bergen. Bewohner aus Sotschi erzählten, dass abends die Beleuchtung der Anlagen eingeschaltet wurde, um aus der Ferne vorzutäuschen, sie beherbergten Gäste.

In kürzester Zeit mussten die Olympia-Manager die ganze sportliche, touristische und städtische Infrastruktur umkrempeln. Denn seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte es kaum Investitionen in die Infrastruktur von Sotschi gegeben. Auch in Fragen des Umweltschutzes konnte Sotschi nicht punkten, viele Betriebe hatten jahrelang ihre Abfallprodukte einfach ins Meer fließen lassen. Jahrelang verwandelte sich der berühmte und beliebte Urlaubsort in eine Großbaustelle. Nicht unbedingt zur großen Freude der Bewohner und Gäste

Bestehende Seilbahnen mussten modernisiert und neue gebaut werden. Reine Geldverschwendung, hieß es damals. Kein Mensch wird die Anlage nach den Spielen nutzen. Inzwischen gibt es in Krasnaja Poljana 14 moderne Seilbahnen, so groß ist der Bedarf.

Auch das Olympiastadion „Fischt“ wurde vorab viel kritisiert. Wer braucht schon eine Anlage für 48.000 Zuschauer an der Schwarzmeerküste? Das Stadion gehörte 2018 zu den Spielstätten der Fußball-WM. Und anschließend nahm der neu gegründete Fußballclub PFC Sotschi das schicke Stadion in Besitz.

500 Milliarden Rubel kostete die Vorbereitung der Olympischen Winterspiele zwischen Schnee und Palmen. „Unsere Präsentation bestand aus tollen Bildern und Clips. Als wir uns diese Bilder anschauten und begriffen, dass das alles Realität werden sollte, fragten wir uns selbst: Schaffen wir das wirklich“, gab der Chef des russischen Organisationskomitees, Dmitrij Tschernyschenko, in einer Dokumentation über die Spiele in Sotschi fünf Jahre später zu.

Heute gehört Sotschi wieder zu den beliebtesten Urlaubszielen der Russen. Im Jahre 2018 empfing die Stadt acht Millionen Touristen, 25 Prozent mehr als 2017.

Bei einer derart nachhaltigen Ausstrahlung der Olympischen Winterspiele sei es erlaubt, das Thema Doping in Sotschi mit seinen später bekannt gewordenen Skandalen auszuklammern. Hier geht es um etwas anderes – um die langfristigen Wirkungen für Bewohner und Gäste.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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