Donbass: Kämpfende Tschetschenen auf beiden Seiten

Dass tschetschenische Freiwillige auf der Seite der Rebellen im Donbass kämpfen, ist schon länger bekannt. Doch auch bei den Regierungstruppen sind im August tschetschenische Kämpfer nun sogar mit einer eigenen Einheit aufgetaucht, die es nicht weniger in sich haben und die wohl auch nicht weniger zahlreich sind, als ihre Landsleute auf der Gegenseite.

Tschetschenen bei den Donbass-Rebellen

Die Tschetschenen, die mit den Separatisten kämpfen, sind Gefolgsleute des dort amtierenden Präsidenten Ramsan Kadyrow (auch wenn das dieser bestreitet). Kadyrow werden von entsprechenden Organisationen massive Menschenrechtsverstöße vorgeworfen, bis hin zu Folter und Mord. Was von den herberen Sachen wahr ist, weiß niemand genau, Indizien gegen ihn gibt es einige, wirklich demokratisch gewählt ist er auf jeden Fall nicht. Die dortigen Wahlen werden von unabhängigen Beobachtern allgemein als Farce angesehen. Aber alleine seine Moskau-Treue würde ihm schon seine Macht sichern und er bekommt viel finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung, durch die sich Tschetschenien wirtschaftlich in den letzten Jahren merklich erholt hat. Doch nicht nur deshalb hat er in Tschetschenien viele Anhänger vor allem unter seinen weltlichen Landsleuten, was man im Westen gerne unterschlägt. Der Grund ist wie so häufig keine echte Begeisterung für ihn, sondern die gegnerische Alternative, die ohne seine harte Hand vor Ort wieder herrschen könnte.

Kadyrows Gegner – islamistische Separatisten

Denn als Tschetschenien Ende der 90er Jahre quasi unabhängig war, regierte der damalige Präsident Maschadow im Bunde mit radikalen Islamisten. Diese gewannen mehr und mehr Einfluss und versuchten schließlich 1998 auch die Regierungsgebäude der Nachbarrepublik Dagestan zu erobern, um einen kaukasischen Kalifstaat zu errichten. Die Terroristen, die im letzten Jahr den Doppel-Bombenanschlag von Wolgograd verübten, sind direkte Abkömmlinge dieser Bewegung, die der IS oder El Khaida bei der Radikalität in nichts nachsteht. 1999 marschierten noch offene Wahabiten unter Bassajew in Tschetschenien ein, was dann die Russen zu einer gewaltsamen Eroberung der Republik veranlasste, durch die der oben genannte Kadyrow einige Jahre später an die Macht kam. Dieser lebt seitdem von Moskau und der Tatsache, dass er Tschetschenen, die keinen Scharia-Staat wollen, häufig einfach lieber ist, als eine Rückkehr ins Mittelalter. Er hat einige mächtige Clans der Tschetschenen unter Kontrolle und das Land im Griff – lieber Ordnung als Demokratie, würden seine Anhänger wohl sagen. Der Westen war damals um das Millennium, als man die Gefahr des radikalen Islamismus vor 9/11 noch nicht so ernst nahm, voll auf der Seite der, wenn man so will, „tschetschenischen Separatisten“ und blendete deren islamistische Gesinnung einfach mal aus. Damals Freiheitskämpfer, heute in den Tagen der IS Terroristen.

Herkunft der ukrainischen Tschetschenen

Und da kommen wir schon zu den Tschetschenen, die jetzt im Donbass auf ukrainischer Seite kämpfen, gesehen erst vor kurzem mit passender Fahne im von den Regierungstruppen kontrollierten Dserschinsk. Sie führen natürlich die Flagge des unabhängigen und islamistischen Tschetschenien der 90er Jahre, die dort sogenannte „Wolfsfahne“ und sind verbliebene Gegner von Kadyrow und Moskau, häufig schon vor ihrem Ukraine-„Urlaub“ außerhalb von Russland lebend. Und diese Gegner sind keine Friedensaktivisten. So tauchte schon auf dem Maidan eine tschetschenische Krankenschwester namens Amina Okyjewa auf. Aktuell ist sie inhaftiert als mutmaßliche Verschwörerin eines Terroraktes zur Ermordung von Putin. Auch auf dem Maidan war die Wolfsfahne unter all den Europa- und Ukraineflaggen bereits zu sehen gewesen. Gleich nach dem Maidan-Umsturz erklärte der tschetschenische Islamisten-Kämpfer Munajew, einst Anhänger vom oben erwähnten Maschadow, die volle Unterstützung seiner Gruppe für die Ukrainer im Kampf gegen die Russen.

Tschetschenische Terroristen im „Anti-Terror-Einsatz“

Diesen Worten ließen die Exil-Tschetschenen, die noch von ihrem Kalifat träumen,  Taten folgen. Sie stellten eine eigene Einheit auf, die mit den Regierungstruppen jetzt seit mindestens Mitte August bei ihrer „Anti-Terror-Aktion“ unter westlicher Unterstützung beteiligt ist, wie wiedersinnig das auch auf dem ersten Blick für Islamisten sein mag. Während in Deutschland Neonazis und Radikalislamisten Totfeinde sind, schließt man in der Ukraine auch mal ein Zweckbündnis, ebenso wie Liberale und Faschisten. Bereits vor Gründung der eigenen Einheit sollen Tschetschenen bei den berüchtigten und hauptsächlich aus Rechtsradikalen bestehenden Regierungseinheiten „Aydar“, „Dnjepr“ und „Donbass“beteiligt gewesen sein, sowohl bei den Gefechten um Donezk als auch um Lugansk. Wie viele es von diesen tschetschenischen Separatisten gibt, die dann wiederum ostukrainische Separatisten bekämpfen, ist umstritten und Schätzungen schwanken zwischen 200 und 500 Kämpfer. An die große Glocke hängt die Euromaidan-Regierung diese Truppen nicht unbedingt, während über die für die prorussische Seite kämpfenden Tschetschenen breit berichtet wird.

Insgesamt ist es aber durchaus möglich, dass es auf beiden Seiten gleich viele Tschetschenen gibt. In Russland separatistische Exiltschtschetschenen bei den Regierungstruppen, in Russland regierungstreue weltlichere bei den ostukrainischen Separatisten. So verrückt ist die Welt. Doch sie ist noch viel verrückter, da gerade solche islamistische Exiltschetschenen dann wiederum als politisch Verfolgte in Deutschland landen, um dort in Asybewerberwohnheimen geflüchtete syrische Christen zu terrorisieren.

Nicht alle Kaukasus-Völker kämpfen „beidseitig“

Auch von anderen Kaukasus-Völkern gibt es freiwillige Kämpfer im Donbass. Die christlichen Osseten sind auch in unbekannter Anzahl kämpfend im Bürgerkrieg der Ostukraine unterwegs. Das ist kein Wunder, haben sie doch zwei Hauptfeinde. Zum einen die mit dem Westen verbündeten Georgier, die den Süden ihres Siedlungsraums als eigenes Staatsgebiet beanspruchen. Zum anderen aber auch radikale islamische Völker, die dieses christliche Volk schon seit Jahrhunderten im Kaukasus bedrängen, weshalb es sich schon zur Zarenzeit in die Arme der Russen flüchtete. Und auch die überwiegend christlichen Abchasen sind komplett voll der Sympathie für die Donbass-Separatisten, kämpfen sie doch selbst für einen unabhängigen Staat gegen dieselben Georgier, von denen auf Regierungsseite dann natürlich auch schon Freiwillige gesichtet wurden.

Roland Bathon, russland.RU – Hauptquelle für die aktuelle Präsenz der Tschetschenen (dort auch schöne Fotos von kämpfenden Tschetschenen mit Wolfsfahne auf ukrainischer Seite und Wolfsfahnen auf dem Maidan): Tajmer Odessa

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