Deutsche Gründlichkeit für russischen WM-Rasen

[von Michael Barth] Nun ist ein Fußballfeld zwar kein Golfplatz, aber sollte während einer Fußball-Weltmeisterschaft auch nicht unbedingt einem Bolzplatz ähneln. Damit der grüne Rasen, auf dem vom 14. Juni bis 15. Juli um die begehrte Trophäe gespielt wird, auch ordentlich in Schuss ist, hat man sich beim Organisationskomitee des Projekts Russia-2018 der deutschen Gründlichkeit besonnen.

Man sagt den Deutschen ja vorbildliche Kleingärtner-Tugenden nach. Hier jedoch geht es um das gepflegte Grün im Großen. Der Rasen der Fußball-WM 2018 soll, zumindest bevor er von unsensiblen Balltretern im Eifer des Gefechts wieder ramponiert wird, glänzen. Mit dieser ungemein wichtigen Aufgabe ist üblicherweise ein sogenannter Greenkeeper vollzeitbeschäftigt. Früher übernahm dieses Amt der gemeinhin als Platzwart bekannte Gratler aus dem Schrebergartenverein von nebenan. Ehrenamtlich in seiner Freizeit versteht sich.

Jetzt aber, wo doch sogar das Fernsehen und damit gleich die ganze Welt zuschaut, sind Profis gefragt. Und die brauchen halt auch ein gescheites Werkzeug, wie man weiß. Das wiederum findet man vorzugsweise in deutschen Qualitätswerkstätten. Der gute alte Platzwart mit seinem japanischen Einzylinder den er vor sich herschiebt, käme bei so einer höchstoffiziellen FIFA-WM wohl schnell an seine Grenzen, trotz aller Gründlichkeit und einer Kiste Bier. Hier braucht es Maschinen statt gutgemeinter Manpower.

Die qualitativ hochwertigsten Spezialvehikel stammen aus der schwäbischen Rasenrüstungsschmiede Wiedenmann, das behauptet zumindest die Eigenwerbung des Unternehmens. Die darf sich diesen Sommer an der Pflegefront in gleich acht russischen WM-Arenen beweisen. Das sind zwei Drittel aller Rasenplätze des Turniers, die jetzt unter der Pflegeobhut aus Rammingen bei Ulm stehen. Man habe damals, ganz schwäbisch bescheiden eben, mit der Pflegetechnik von Sport- und Zierrasen begonnen. Heute gelte der Betrieb als eine der ersten Adressen der Branche, sagt man über die Firma.

Zum weltmeisterlichen Einsatz werden die Modelle der Terra-Reihen Spike, Rake, Seed, Brush und Groom kommen, damit wähnt man sich der Aufgabe gewachsen. Diese Maschinenreihe zähle ohnehin zu den leistungsstärksten ihrer Art, weiß man nicht ohne Stolz in Rammingen. Regelmäßiges Tiefenlüften rege das Wurzelwachstum an, so dass der Rasen an Widerstandskraft gewinne. Er benötigt dann weniger Dünger und wirke optisch attraktiver. Gerade für Spielstätten in Mischwettergebieten wie Russland sei das ein gewichtiger Faktor. Man merkt sofort, hier fachsimpeln die Spezialisten der Branche.

Das aktuelle Topmodell GXI 8 HD belüfte bis zu 5600 m² pro Stunde. Es gäbe zudem Varianten für praktisch jeden Boden. Eine Besonderheit ist die neueste Variante SL, das Kürzel steht für „super leicht“. Diese Version lasse sich selbst an kleinen Traktoren und überall dort betreiben, wo empfindlicher Boden den Einsatz marktüblicher Maschinen bislang verboten habe. Zugegeben, wir sind schwer beeindruckt über soviel Rasen-know-how aus dem Schwabenland. Besonders stolz sei man bei Wiedenmann, dass deren Turbo-Power-Rasenmaschinen sogar für das altehrwürdige Luschniki-Stadion in Moskau geordert wurden.

Wir freuen uns schon jetzt auf das sicherlich genauso beeindruckte Gesicht von Russlands Präsident Putin, wenn er beim Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 mit rund 80.000 Besuchern vor Ort und weiteren Millionen an den Fernsehgeräten, die Gründlichkeit der schwäbischen Präzisionsmaschinen mit eigenen Augen sieht. Vielleicht entscheidet er sich nach dem Finale ja sogar zum Kauf einer solchen. Und möglicherweise sehen wir dann bald einen Wladimir Wladimirowitsch, wie er höchstselbst mit entblößtem Oberkörper und einem TXL 130-S seinen präsidialen Rasen mäht.

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