Das Geschäft mit WM-Bildchen: Sammeln oder gleich hinfahren?

Es herrscht wieder Hochbetrieb an Kiosken und Supermarktkassen. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 wirft ihre Schatten schon seit langem in Gestalt der Panini-Bildchen voraus. Von der gefühlten Unmöglichkeit, sein Sammelalbum jemals voll zu bekommen und den Kosten in Höhe einer Reise zu den Originalschauplätzen.

Deutschland sammelt wieder. Seit zur Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien die Konkurrenz für Fußball-Bildchen erfolgreich vom Markt verdrängt wurde, hat die Sammelleidenschaft einen ganz bestimmten Namen – Panini. Da das Unternehmen schon seit langem einen Lizenzvertrag mit dem Fußball-Weltverband FIFA für den Alleinvertrieb abgeschlossen hat, ist es der Platzhirsch schlechthin. Mittlerweile erwirtschaftet das 1961 im italienischen Modena gegründete Sammelbilder-Imperium einen Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro.

Das Konzept ist relativ einfach: Ein Foto eines jeden Spielers der teilnehmenden Mannschaften auf Selbstklebefolie gedruckt, fünf Stück davon in ein buntes, marktschreierisches Tütchen gepackt und für 90 Cent, und somit knapp unter der magischen Eurogrenze, in repräsentativen Verkaufsboxen in den Handel gebracht. Selbstverständlich, so die Unternehmensphilosophie, achte man tunlichst darauf, dass sich nie doppelte Bildchen in einer Tüte befinden. Ab hier beginnt der Siegeszug der Wirtschaftlichkeit für den Herausgeber der Sammelbilder.

Das Monopol bei den Fußball-Bildchen

Insgesamt nehmen 32 verschiedene Mannschaften an der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland teil. Panini hat dafür Platz für 682 Aufkleber in seinen Sammelalben vorhergesehen. Bei fünf, nach einem Zufallsgenerator ausgewählten, Bildchen pro Tüte ergibt das im günstigsten Fall eine Investition für die Sammler von 137 Tütchen. Für den ganzen Spaß würden sie somit exakt 132,30 Euro bezahlen müssen. Wer jetzt glaubt, prima, das kann ich mir gerade leisten – Pustekuchen.

Bereits nach kurzer Zeit wird der Sammler an seine Grenzen kommen und feststellen, dass er mit etlichen Boatengs dasteht, wo er doch eigentlich einen Ronaldo bräuchte. So zieht sich das weiter und weiter und es wird, in der hehren Hoffnung doch noch endlich das Objekt der Begierde zu erwischen, gekauft was das Zeug hält. Panini reibt sich die Hände und unter den Sammlern machen sich Gerüchte breit, dass das Unternehmen absichtlich bestimmte Spielerkonterfeis in geringeren Stückzahlen auf den Markt brächte.

Teurer Spaß für die Sammler

Gegen derlei Vorwürfe wehrt sich der Hersteller vehement. Das alles sei dem Wahrscheinlichkeitsprinzip geschuldet, so heißt es. In eine Formel gebracht bedeutet das, dass Sammler günstig geschätzt 4832 Aufkleber kaufen müssten, um ihr Album komplett zu füllen. Dies wiederum entspricht einem Marktwert von exakt 869,80 Euro. Für das Geld bekäme man durchaus schon eine Reise nach Russland inklusive einer Eintrittskarte in einer der billigen Kategorien. Die Regel zeigt jedoch, dass man getrost gleich eine der Besseren wählen kann.

Denn es verhält sich bei Wahrscheinlichkeiten in den meisten Fällen so, dass sie nicht auf die Praxis zutreffen. Das heißt, mit einigen Spielern könnte man inzwischen bequem ein Zimmer tapezieren, während man immer noch auf den ach so sehnlichst gewünschten Ronaldo wartet. Ab da hat die Falle Panini schon längst zugeschnappt. Schon in der grauen Vorzeit der Geschichte der Sammelbilder haben sich auf Pausenhöfen an den Schulen regelrechte Tauschecken für die Bilder etabliert. Tausche fünf Spieler irgendwelcher Mannschaften die kein Mensch kennt, gegen einen Beckenbauer, hieß es da.

Tauschbörsen als Selbsthilfegruppen

Sicherlich, man könnte sich zu Gruppen zusammenschließen und die Tütchen gemeinsam kaufen, das böte zumindest die Chance, die ersten doppelten Aufkleber untereinander weiterzugeben. Es wird jedoch nicht lange dauern und die ganze Gruppe steht vor dem gleichen Problem. Zudem, die heute etwas ältere Sammler dieser Fußball-Bildchen werden, aller Wahrscheinlichkeit nach, auf ziemliches Unverständnis in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis stoßen, wenn sie dort ihren Überschuss zum Tausch anbieten.

Mit nicht zu unterschätzender Unterstützung des Internets haben sich inzwischen unzählige Tauschbörsen gegründet. Hier ist man unter seinesgleichen und niemand schaut einen verstört an, wenn man seine Leidenschaft preisgibt. Man kann sich sogar die passenden Apps dazu herunterladen. Allerdings wäre Panini nicht Panini, wenn man dort dem Problem, um was man natürlich weiß, nicht selber zu Leibe rücken würde. Das Unternehmen unterhält einen Kundenservice, bei dem Sammler fehlende Bildchen für 20 Cent pro Stück einzeln nachkaufen können. Für eine Bearbeitungsgebühr von drei Euro lassen sich bis zu hundert Aufkleber bestellen.

Für das Unternehmen ist das natürlich ein Zusatzbrot, dass man sich nicht entgehen lassen möchte. Schätzungsweise lassen sich dadurch schon einmal bequem die Lizenzgebühren für die FIFA einspielen. Die sind zwar horrend, da es sich um Beträge in Millionenhöhe handelt, allerdings dürften sie bei der Größenordnung des Marktes für die Sammelbildchen, eine ziemlich untergeordnete Rolle spielen. Der Fan bezahlt es ja – und das mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit.

[mb/russland.NEWS]

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