Damalige Sowjetführung uneins über Umgang mit Tschernobyl-Unglück

Die Katastrophe von Tschernobyl vor 20 Jahren hat innerhalb der damaligen Sowjetführung einen Streit über den Umgang mit dem Unglück ausgelöst. Das geht aus Mitschriften eines Politbüro-Treffens am 29. April 1986 hervor, die die russische Tageszeitung „Iswestija“ am Mittwoch veröffentlichte. „Wenn wir die Nachricht ausgeben, sollten wir sagen, dass gerade Routinereparaturen in der Anlage stattfanden, damit unsere Ausrüstung keinen schlechten Ruf erhält“, wird der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Michail Gorbatschow, zitiert.

Der ranghohe KGB-Vertreter und spätere aserbaidschanische Präsident Heidar Alijew stellte die grundsätzliche Frage: „Vielleicht sollten wir unser Volk informieren?“

Ex-Außenminister Andrej Gromyko setzte sich bei dem Treffen drei Tage nach dem Reaktorunglück dafür ein, Informationen herauszugeben. „Es ist wesentlich, (…) dass wir den mit uns befreundeten Staaten mehr Informationen geben und Washington und London teilweise informieren“, sagte er laut Mitschrift. Dagegen zeigte sich Jegor Ligaschew, ein in den 80er Jahren einflussreicher Hardliner des Politbüros, wenig überzeugt davon, Angaben über die Katastrophe zu veröffentlichen. „Wir sollten keine Pressekonferenz abhalten“, wird Ligaschew zitiert.

An den Beratungen nahmen auch Medienvertreter teil. Michail Simjanin von der kommunistischen Tageszeitung „Prawda“ schlug folgende Version vor: „Es ist wichtig, (…) dass wir sagen, dass es keine nukleare Explosion war und dass nur ein Leck infolge des Vorfalls entstand.“

Die Sowjetführung gab am 29. April einen ersten offiziellen Bericht über Tschernobyl heraus. Darin hieß es laut der Tageszeitung „Wedomosti“, es habe „radioaktive Verseuchung“ gegeben – allerdings nicht in einer Intensität, die besondere Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung notwendig mache.

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