„Bloß Zuschauer“: Was russische Schüler über Russland und ihre Zukunft denken©russland.news

„Bloß Zuschauer“: Was russische Schüler über Russland und ihre Zukunft denken

Was denken russische Schülerinnen und Schüler der Oberstufe über ihr Heimatland? Was sind ihre politischen Vorstellungen, Emotionen und Gefühle in Bezug auf ihre nationale Identität? Die Antworten auf diese Fragen finden sich in der Studie „Die emotionale Komponente der Staatsbürgerlichkeit russischer Gymnasiasten: eine politisch-psychologische Analyse“ von Wissenschaftlern der Fakultät für Politikwissenschaft der staatlichen Lomonossow-Universität in Moskau.

Die Studie zeigt emotionale Merkmale der Vorstellungen von Gymnasiasten über Staatsbürgerschaft und Patriotismus, verschiedene Arten ihrer emotionalen Einstellung gegenüber Russland und der Zukunft sowie ihre Gefühle von Nationalstolz. Die Autoren weisen darauf hin, dass die extrem ausgeprägte Unsicherheit und Apathie eines großen Teils der Jugendlichen gegenüber der Politik sowie die allgemeine kognitive Unzulänglichkeit politischer Bilder die Motivation russischer Gymnasiasten, ihre bürgerliche Position aktiv zu vertreten und am gesellschaftspolitischen Leben des Landes teilzunehmen, negativ beeinflussen. Dies wiederum deutet auf erhebliche Mängel im System der staatsbürgerlich-patriotischen Bildung und Erziehung im heutigen Russland hin.

Die Umfragedaten zeigen, dass die Hälfte der russischen Gymnasiasten keinen Stolz auf ihr Land empfindet: 34,1 Prozent der Befragten fanden es schwierig, die Frage zu beantworten, und 7,6 Prozent der Schüler haben keine Gefühle von Nationalstolz.  Die meisten russischen Gymnasiasten sind stolz auf „die Einheit des russischen Volkes“ und „die Stärke des russischen Volkes“ (6,4 Prozent).

Worauf sind russische Schülerinnen und Schüler noch stolz? Im Bereich Kunst und Kultur (6,2 Prozent) sind die jungen Leute stolz auf die Musik von P. Tschaikowsky und E. Letow.  An dritter Stelle stehen Wissenschaft und Technologie (3,9 Prozent).  Nur 2,8 Prozent sind stolz auf den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg und 2,3 Prozent auf Präsident Putin.

Ein Fünftel der Antworten kann als „Sonstiges“ eingestuft werden: Es handelt sich dabei um allgemeine Formulierungen („Errungenschaften des Landes“, „positive Veränderungen im Land“, „Atmosphäre im Land“, „unser Staat“, „mein Land“, „kreatives Potenzial des Landes“, „Menschen helfen“, „Widerstand gegen die Behörden“).

„Russische Gymnasiasten neigen dazu, unterschiedliche Gefühle über ihre Zukunft und die Zukunft des Landes zu haben“, so die Autoren der Studie. „Unter den positiven Gefühlen überwiegen Hoffnung, Optimismus, Interesse, Freude und Glück. Besonders erwähnenswert ist, dass die Schülerinnen und Schüler in ihren Antworten häufig an Gefühle der Hoffnung und des Glaubens appellierten: „Ich glaube an meine gute Zukunft“ oder „Ich hoffe, dass alles gut wird“. Unter den negativen Gefühlen, die Absolventen haben, wenn sie an die Zukunft denken, überwiegen Angst und Befürchtungen, Sorgen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit“.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass russische Jugendliche eine zweideutige Haltung gegenüber Russland haben – negativ als Staat, und positiv als Land. Gleichzeitig ist die hohe Zahl der „Unentschlossenen“ besonders alarmierend. Die emotionale Einstellung der Schüler zu Russland, seiner Zukunft und zu sich selbst deutet auf ein recht hohes allgemeines Maß an Angst, Unsicherheit über die Zukunft und ein unbefriedigtes Bedürfnis nach Sicherheit (persönlich und in der Gruppe, physisch und wirtschaftlich) hin.

Die geringe emotionale Beteiligung deutet darauf hin, dass sich die Schüler nicht als Akteure in gesellschaftspolitischen Prozessen sehen, sondern eher als Zuschauer, die Werturteile über das Geschehen abgeben.

[hrsg/russland.NEWS]

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