Auszüge aus der Rede Außenminister Gabriels auf der Münchner Sicherheitskonferenz bezüglich Russlands und Chinas

Der zunehmende globale Führungsanspruch Chinas, die Machtansprüche Russlands, die Renaissance von Nationalismus und Protektionismus, all diese Phänomene führen zu massiven Verschiebungen in unserer Weltordnung, mit unabsehbaren Konsequenzen.

Mit dem Aufstieg Chinas werden sich die Gewichte massiv verschieben. Die Initiative für eine neue Seidenstraße ist ja nicht das, was manche in Deutschland glauben, es ist keine sentimentale Erinnerung an Marco Polo. Sondern sie steht für den Versuch, ein umfassendes System zur Prägung der Welt im chinesischen Interesse zu etablieren. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Wirtschaft: China entwickelt eine umfassende Systemalternative zur westlichen, die nicht wie unser Modell auf Freiheit, Demokratie und individuellen Menschenrechten gründet.

China erscheint derzeit als das einzige Land der Welt, mit einer wirklich globalen, geostrategischen Idee und es verfolgt diese Idee konsequent. Ich bin dagegen, China diese Idee und diesen Willen vorzuwerfen. Es ist das gute Recht Chinas, eine solche Idee zu entwickeln.

Mächte wie China und Russland versuchen permanent, die Geschlossenheit der Europäischen Union zu testen und auch zu unterlaufen. Einzelne Staaten oder Gruppen werden mit Sticks and Carrots getestet, ob sie denn in der Gemeinsamkeit der Europäischen Union verbleiben wollen oder ob man sie herausbrechen kann. Doch ist es das eine, ob mögliche Rivalen und Wettbewerber, manchmal auch Gegner das versuchen. Von Freunden und Partnern dagegen erwarten wir, dass sie die Gemeinsamkeiten der Europäischen Union respektieren, besser noch unterstützen.

Niemand sollte versuchen, die EU zu spalten – nicht Russland, nicht China, aber auch nicht die Vereinigten Staaten. Die Europäische Union ist ein durchaus selbstbewusster Partner, der vertrauensvoll und auf Augenhöhe mit den USA kooperieren will, aber eben nicht im Gefolgschaftsverband.

Auch die Streitfragen mit Russland müssen wir mit neuem Ehrgeiz angehen. Wir befinden uns gegenwärtig in einer Eskalationslogik, die wir seit dem Kalten Krieg überwunden glaubten.

Natürlich liegt es nahe, diesen Trend fortzuschreiben und die Rückkehr der Großmachtkonfrontation wieder in unsere Reden und Doktrinen aufzunehmen. Aber damit sollten wir es wirklich nicht bewenden lassen.

Das Leiden und der Tod zahlreicher Menschen in der Ukraine ist Grund genug, eben nicht nur in der Pose der Empörung und der Beschreibung unserer Position zu verharren.

Die Idee einer robusten Uno-Blauhelmmission im Donbass ist extrem anspruchsvoll. Ich weiß, dass die Vorstellungen, die über ihre Umsetzung in Russland existieren und die bei uns existieren weit auseinanderliegen. Aber es ist doch einen Versuch wert. Wir sollten im Dialog mit den russischen und ukrainischen Regierungen nicht locker lassen, sondern unbeirrt diese Idee weiter verfolgen.

Die Etablierung einer solchen Mission, die Durchsetzung eines Waffenstillstands und der Rückzug schwerer Waffen können einen schrittweisen Abbau der Sanktionen ermöglichen. Wir Deutschen und wir Europäer sollten anbieten in einem solchen Fall auch für ein besseres Leben im Donbass zu investieren. Und Russland sollte in uns auch etwas anderes erkennen als einen Gegner.

Wo, wenn nicht in einer gemeinsamen Zukunft, sollen eigentlich die Chancen für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und die Stabilität der eigenen russischen Gesellschaft liegen – wenn nicht in der Zusammenarbeit mit Europa?

veröffentlicht bei www.auswaertiges-amt.de/

[hmw/russland.NEWS]

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