„April, April“ – auch zu Zeiten des Coronavirus wollen Russen auf den 1.April nicht verzichten

„April, April“ – auch zu Zeiten des Coronavirus wollen Russen auf den 1.April nicht verzichten

„Psychologische Besonderheit der Menschen, Widersprüche in der Umgebung zu notieren und aus dem komischen Blickwinkel zu bewerten“, definiert die russische Wikipedia den Sinn für Humor. Und da das Leben in Russland schon immer aus vielen Widersprüchen bestand, können Russen ohne Sinn für Humor einfach nicht überleben.

Interessanterweise kam der Tag des Lachens nach Russland höchstwahrscheinlich aus Deutschland gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Wahrscheinlich hat Peter der Großen den 1. April von seiner Europareise mitgebracht. Die erste dokumentierte Volksveräppelung fand am ersten April 1703 in Moskau statt. Verkündiger liefen durch die Straßen und luden alle ein, zu der „ungehörten Vorstellung“ zu kommen. Und als sich der Vorhang zur festgesetzten Stunde öffnete, sahen alle eine Leinwand auf der Bühne mit der Inschrift: „Erster April – reingefallen!“  Und damit endete auch die „unerhörte Vorstellung“.

Als die Perestroika kam, durften sogar die angesehenen Zeitungen auf einmal April-Scherze machen. So berichtete 1988 die Zeitung „Iswestija“, dass der argentinische Fußballstar Diego Maradona mit dem Moskauer „Spartakus“ im Gespräch sei. Die Zeitung teilte mit, dass der berühmte russische Fußballklub Maradona sechs Millionen Dollar angeboten habe, und Diego werde einem so großzügigen Angebot wahrscheinlich nicht widerstehen können und für „Spartakus“ spielen.

Am 1. April 1992 erschien in der Zeitung „Moskowskaja Prawda“ ein Artikel, in dem über Pläne zum Bau einer zweiten U-Bahn in Moskau berichtet wurde. Die alte U-Bahn würde man aber nicht schließen, hieß es. Es wurde berichtet, dass dies für den „Markt und Wettbewerb“ getan werden würde.

Vor drei Jahren erlaubte sich sogar das russische Außenministerium einen April-Scherz. Am 1. April 2017 hat das Ministerium in einem sozialen Netzwerk eine scherzhafte Audioaufnahme platziert, die den Anrufbeantworter der russischen Botschaften parodierte. Der Anrufer wurde aufgefordert, einen Knopf zu drücken, um „die Dienste russischer Hacker in Anspruch zu nehmen“, „einen Anruf eines russischen Diplomaten an politische Rivalen zu bestellen“ oder sich über „die Einmischung in die Wahlen zu informieren“. Die US-Nachrichtenagentur Associated Press glaubte den Witz über die Hacker fast und kontaktierte sogar das russische Außenministerium, um sicherzustellen, ob es sich um einen Scherz handelt oder nicht.

 

Zu Sowjetzeiten war der Witz, insbesondere der politische Witz, vielleicht die einzige Möglichkeit, dem Regime irgendwie die Stirn zu bieten. Heute sind viele der Witze von damals für die jüngere Generation unverständlich, und das Genre des Witzes hat das Meme ersetzt. Aber wie auch immer die kurzen, lustigen Phrasen heißen mögen, sie helfen, schwierige Zeiten zu meistern. Humor ist der beste Weg, um nicht depressiv zu werden. Das russische Internet ist jetzt voll mit neuen Memes gegen das Coronavirus. Die Russen machen sich über ihre eigenen Ängste lustig. Hier zwei Kostproben:

„Jeden Abend nach den Nachrichten schaue ich mir einen Horrorfilm an, um mich etwas zu beruhigen“.

„Es ist nicht bekannt, wie lange diese Situation andauern wird. Ich schlage vor, wir kaufen jetzt einen Weihnachtsbaum“.

Eines ist gut: Internet-Memes über das Coronavirus verbreiten sich mit einem Klick. Und so kann in dieser schwierigen Zeit gute Stimmung in Sekundenschnelle geteilt werden. Hoffentlich viel schneller als das Virus selbst.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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