Agieren statt reagieren

Die Russland-Konferenz in Düsseldorf war hochkarätig besetzt: Botschafter der Bundesregierung in Moskau, Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandskammer, Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf – sie alle wurden nicht müde zu betonen, dass Russland für Deutschland ein entscheidender Zukunftsmarkt mit großem Potenzial ist und bleibt. Der Botschafter der Bundesrepublik in Russland Freiherr von Fritsch sprach für alle, als er sagte: „Ganz gleich wie die heutige Situation ist, für gute deutsch-russische Beziehungen gibt es keine Alternative“. Grundlage dafür sei jedoch das gegenseitige Vertrauen, das Russland „mit der Annektion der Krim und dem Krieg im Osten der Ukraine“ gebrochen hat: „Das war ein massiver Bruch aller vereinbarten Regeln“. Er rechtfertigte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland als „Instrument der Politik“ und keine Strafmaßnahmen. Sie müssen zeigen, dass bestimmte Verletzungen fundamentaler Regeln nicht hinnehmbar sind. Gleichzeitig zeige man „eine beständige Bereitschaft zum Dialog“.

Der Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn Herr Wladimir Sedych zitierte den ehemaligen Außenminister Polens, der sagte, dass die Geschichte über diejenigen hart urteilen wird, die nicht die Möglichkeiten ergriffen haben, gegen die schlechten Beziehungen zwischen Russland und EU zu steuern. Die von ihm angeführten Zahlen allerdings waren mehr als ernüchternd: „Laut der Angaben des russischen Zolls ist der Handelsverkehr zwischen Deutschland und Russland in den 10 Monaten im Jahre 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 35% zurückgefallen. Laut der deutschen Statistik nimmt Russland in der Liste der wichtigsten Handelspartner nur den 13. Platz ein, 2012 war es Platz 10. „Nichtdestotrotz bleibt Russland ein attraktiver Markt für deutsche Investoren“.

Denn für die deutsche Business-Community war das Russlandgeschäft immer unter veränderten Vorzeichen, wie der Präsident der IHK Düsseldorf betonte: „Mal waren es plus Vorzeichen, mal Minus Vorzeichen. Die Stimmung ist aber trotzt der Schwierigkeiten positiv“.

Besonders für NRW ist der russische Markt wichtig. Der Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft Günter Horzetzky wies darauf hin, dass NRW mit einem Anteil von 15% unter anderen Bundesländern traditionell eine führende Rolle im Handel mit Russland einnimmt. Die Rahmenbedingungen sind zwar in der Tat schwieriger geworden. „Es ist aber kein Grund, sich zurückzuziehen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir trotzt oder sogar wegen der Krise den Dialog weiterführen müssen“, sagte Horzetzky. Auch die russische Wirtschaft sei an der Kooperation mit deutschen Unternehmen weiter interessiert. „Diese Wirtschaftskontakte in der Krise sind ein festes Fundament für unsere Partnerschaft“. 450 russische Unternehmen haben ihren Sitz in NRW und weitere „sind herzlich willkommen“.

Vorstandvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer Michael Harms betonte in seinem Vortrag „Aktuelle Wirtschaftslage – Handlungsoptionen in schwierigen Zeiten“ , dass die deutsche Wirtschaft mit 5400 ansässigen Firmen, 40 Milliarden Umsatz und ca. 120 000 Arbeitsplätzen die größte internationale Kaufmannschaft in Russland ist. „Es gibt keine Massenabkehr der Deutschen aus Russland!“, beteuerte Harms. Auch die Schwenkung Russlands nach China stelle keine große Gefahr da. Die russischen Partner erleben grade eine „Ernüchterung“ und es findet sogar eine „Rückkehr zu europäischen Partnern“ statt. Und grade jetzt, in schwierigen Zeiten solle man sich die Lokalisierung überlegen: „ So ein großes Land kann man nicht nur mit Export bedienen. Nur wer vor Ort ist, hat Erfolg“.

Das bestätigte auch Bernd Hones, Geschäftsführer der Consultingagentur „Germany Trade and Invest“. Auch wenn China gegenwärtig der Top-Partner unter der russischen Außenhandelspartner ist, sind die chinesischen Direktinvestitionen drastisch gesunken (von Januar bis Juni 2014 – 1193 Millionen US Dollar, in der gleichen Periode 2015 nur 267 Millionen US Dollar). „Um die russisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen ist es tatsächlich weniger rosig bestellt, als viele Politiker in Russland behaupten“. Außerdem können deutsche Unternehmen ihre Chancen als Zulieferer bei deutsch-chinesischen Projekten wahrnehmen, wie z.B. die Firma Linde, die Technologien für Gaschemiewerk im Gebiet Amur liefert, das an der Gaspipeline „Sila Sibiri“ gebaut wird.

Während der Podiumsdiskussionen wurde besonders deutlich, dass sich deutsche Unternehmen zwar auf schwierige Zeiten einstellen, aber auf gar keinen Fall den russischen Markt verlieren wollen. Wie der Präsident und CEO von Siemens Russia Dietrich Möller es sagte, „mit Kreativität und im Dialog mit dem russischen Partner findet man eine Lösung“. Zwischen 1998 und 2013 waren „paradiesische Zeiten“, man hat nur Wachstum gelernt. Man konnte sich leisten, auf Verträge zu verzichten, die zu riskant waren. Jetzt geht man „neue Verträge aggressiv an“. Und „Lokalisierung hat viele Facetten. Sie bietet auch Chancen, man muss kreativ sein“. „Wenn man russische Kunden und Partner nicht im Regen stehen lässt und im Markt bleibt, so ist man später besser im Geschäft “.

Das sagte auch Helena Troll von der UniCredit Bank: „Wenn sie eines Tages aufhören, den Dialog zu führen, dann können sie Probleme in anderen GUS Staaten bekommen, denn die russischen Banken sind überall vertreten. Und es ist wie im wahren Leben, man muss in guten und in schlechten Zeiten für einander da sein“.

Man monierte das neue russische Mediengesetzt, vermisste „Berechenbarkeit“ in der Politik, beschwerte sich über die Sanktionen gegen die Türkei, unter denen auch deutsche Firmen leiden. Aber auf die Frage, ob deutsche Unternehmen die Krise überstehen, auch wenn sie noch zwei Jahr dauert, antwortete Vertriebsleiter GUS der Firma Thyssen Krupp Olaf Plittnik: „Definitiv ja. Man lebt ständig in der Krise, und wenn es keine Krise ist, dann ist es noch besser“.

Der Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer Jens Böhlmann schlussfolgerte für Alle: „Ich höre heute so oft von Kreativität. Das heißt aber nichts anderes, als dass man als Unternehmer in Russland etwas unternehmen muss.“

Daria Boll-Palievskaya – russland.RU

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