CIA: Ziel in Tschechien erreicht – zum Schaden Tschechiens

CIA: Ziel in Tschechien erreicht – zum Schaden Tschechiens

Geheimdienste arbeiten immer im Interesse des eigenen Landes, manchmal aber zum Schaden von «Freunden». Das jüngste Beispiel.

[Kommentar von Christian Müller, infosperber.ch] Wohl jedes Land der Welt hat seinen Geheimdienst, und in wohl jeder Botschaft der Welt arbeiten auch Leute, die dem eigenen Geheimdienst zudienen. Und natürlich arbeiten die Geheimdienste befreundeter Staaten ebenso geheim zusammen. Wie Geheimdienste aber arbeiten, das ist per definitionem geheim. Immerhin gibt es mittlerweile zu diesem Thema ein paar informative Bücher, auch Infosperber hat schon mal eines davon vorgestellt.

Was nicht so bekannt ist: Geheimdienste müssen irgendwelche Stories parat haben, die publik gemacht werden können, wenn von eigenen unangenehmen «Stories» abgelenkt werden soll oder wenn andere gute Gründe eine sofortige attraktive Publikation angezeigt erscheinen lassen. So eben geschehen in Tschechien.

Am Samstag, 17. April, wurde bekannt, dass die geheimen Vorbereitungen für einen gewaltsamen Putsch unter Beteiligung der USA in Belarus aufgeflogen sind. Peinlich für die USA. Am Montag, 19. April, hätte der tschechische Innen- und vorübergehend auch Aussenminister Jan Hamáček nach Moskau fliegen sollen, um die Lieferung des russischen Impfstoffes «Sputnik V» an Tschechien zu vereinbaren, nachdem die EU aus Sicht Tschechiens in der Verteilung des von westlichen Firmen zur Verfügung stehenden Impfstoffes versagt hat. Und ebenfalls in Tschechien wurde gerade darüber diskutiert, ob das nächste Atomkraftwerk in Dukovany wieder von den Russen oder – deutlich teurer – von einem westlichen Unternehmen gebaut werden solle.

Grund also, eine attraktive Story aus der Reserve zu holen, um die politische Stimmung kurzfristig umzudrehen. Man beschloss, was man schon lang parat hatte, jetzt bekanntzugeben, dass nämlich vor sieben Jahren (!), als in Tschechien an der Grenze zur Slowakei beim Dorf Vrbětice ein privates Munitionsdepot explodierte, vermutlich russische Agenten die Verursacher waren. Damals, 2014, begann der Bürgerkrieg im Donbass, und ein rumänischer Waffendealer wollte damals von diesem Munitionsdepot in Tschechien Munition in die Ukraine liefern.

Jetzt, ganz «zufällig» an eben diesem Samstag, gab der tschechische Premier Andrej Babiš bekannt, wörtlich: «Aufgrund eindeutiger Beweise, die durch die Ermittlungen unserer Sicherheitsdienste gewonnen wurden, muss ich feststellen, dass es einen begründeten Verdacht (!) auf die Beteiligung von Offizieren des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Einheit 29155, an der Explosion von Munitionsdepots im Gebiet Vrbětice im Jahr 2014 gibt.» («Na základě jednoznačných důkazů, získaných vyšetřováním našich bezpečnostních složek, musím konstatovat, že existuje důvodné podezření o zapojení důstojníků ruské vojenské zpravodajské služby GRU, jednotky 29155, do výbuchu muničních skladů v areálu Vrbětice v roce 2014»).  Und, obwohl also nur «Beweise für einen begründeten Verdacht» vorlagen, Tschechien werde deshalb 18 – in Worten: achtzehn – russische Diplomaten des Landes verweisen, und dies innerhalb von 48 Stunden.

Die CIA, die natürlich mit dem tschechischen Geheimdienst zusammenarbeitet, hat damit ihr Ziel erreicht. Die westeuropäischen Medien berichteten aktuell über diesen «Fall» in Tschechien und «vergassen» die peinliche Geschichte des gescheiterten Putsches in Belarus unter Beteiligung von US-Amerikanern. Der Flug des zuständigen Ministers nach Moskau zur Bestellung von Sputnik-Impfstoffen wurde wie von westlicher Seite gewünscht abgesagt, Tschechien wird also keine Impfstoffe vom Typ «Sputnik V» erhalten. Und in der Diskussion um den Auftrag für den neuen Atommeiler in Dukovany erlitten die Befürworter der Auftragsvergabe an die russische Firma Rosatom einen massiven Dämpfer. Ein diesbezüglicher Entscheid zum Ausschluss des russischen Bewerbers ist eben gefallen.

Und Tschechien?

Was aber sind die Folgen für Tschechien? 1. Zehntausende Tschechen und Tschechinnen warten weiterhin darauf, geimpft zu werden. Es mangelt dramatisch an Impfstoff. 2. Russland hat, wie im diplomatischen Bereich üblich, ebenso schnell zwanzig tschechische Diplomaten ausgewiesen, ebenfalls innerhalb von 48 Stunden. Es verbleiben also nur noch fünf tschechische Diplomaten in Moskau, der Botschafter wird künftig sein Büro selber putzen müssen (Russland hat seinen Staatsbürgern verboten, dort zu arbeiten). 3. Tschechien wird trotz besten Erfahrungen mit den russischen AKWs in Dukonavy jetzt deutlich mehr für sein nächstes Atomkraftwerk bezahlen müssen. Und 4., ob bei diesem totalen Zusammenbruch der russisch-tschechischen Beziehungen künftig ebenso viele in Tschechien produzierte Autos der Marke Skoda nach Russland geliefert werden können wie bisher, steht in den Sternen.

Erster Rückzieher

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš hat zwischenzeitlich bereits einen ersten sanften Rückzieher gemacht. So meldete Radio Prague International am Montagabend: «Der tschechische Premierminister Andrej Babiš sagt, dass die russische Beteiligung an den Explosionen in einem Munitionsdepot in Mähren im Jahr 2014, die zwei Tote forderten, keinen Staatsterrorismus darstellte. Nach einer Regierungssitzung am Montagabend sagte er, die russische Operation – die in den letzten Tagen zur Ausweisung von Diplomaten führte – war eher ein vermasselter Angriff auf Waren, die von einem bulgarischen Waffenhändler gekauft wurden.» Und vor dem Parlament in Prag entschuldigte sich Babiš in aller Form: Er bedaure sehr, den Vorfall in Vrbětice am Samstag als russischen «Angriff auf den Staat Tschechien» und als NATO-relevant – betr. Statuten Art. 5 – bezeichnet zu haben. Das sei völlig daneben. Das Munitionsdepot habe ja keine Materialien der tschechischen Armee enthalten, der Staat Tschechien habe mit diesem Depot nichts zu tun gehabt.

Premierminister Andrej Babiš, selber ein milliardenschwerer «Business Man», weiss natürlich, dass Waffenhandel immer schon ein schmutziges Geschäft war und ist. Und er hat offensichtlich ziemlich schnell gemerkt, dass Tschechien sich da ins eigene Knie geschossen hat.

Affaire à suivre.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Zum Autor deutsch und englisch. Christian Müller arbeitete in den 1990er Jahren als CEO des damals grössten Medienunternehmens in Prag und hat dabei einschlägige Erfahrungen auch mit der dortigen Kriminalität gemacht. Das ihm kurzfristig übergebene Büro war wohl nicht ganz zufällig mit einer Anlage ausgestattet, mit der alle Fensterscheiben zum Fibrieren gebracht werden konnten, damit die Gespräche im Büro nicht von Nachbarhäusern aus abgehört werden konnten …

Mit freundlicher Genehmigung von Infosperber.ch>>>

COMMENTS