Das Stehaufmännchen Mutko

Russlands Vize-Premier, Ex-Sportminister, Präsident des Russischen Fußballverbandes und WM-Cheforganisator in Personalunion, Witali Mutko, ist zur Zeit gehörig ins Gerede gekommen. Im Zuge des Olympia-Ausschlusses Russlands musste auch er seinen Hut nehmen, Mutko wurde auf Lebzeiten für die Olympischen Spiele gesperrt. Als nächstes steht die Fußball-WM vor der Tür und der Geschasste werkelt munter weiter.

Ein dickes Fell hat er, das muss man ihm lassen. Die Vorwürfe scheinen an Witali Mutko abzuprallen, als würde man ihm sagen, er habe falsch geparkt. Dabei war ausgerechnet er es, der den russischen Sport, zumindest bei den Olympischen Spielen, so richtig in den Dreck gefahren hat. Bis zuletzt hat er die Vorwürfe des organisierten Dopings geleugnet wie kein Zweiter. „Es hat nie und wird niemals ein staatlich gelenktes Dopingsystem in Russland geben. Das brauchen wir hier nicht. Diese ständigen Vorwürfe und Spekulationen zielen nur darauf ab, unser Land zu diskreditieren “, polterte er. Mit seinem Beharren hatte er sich bis zuletzt weit aus dem Fenster gelehnt – und ist nun hinausgefallen. Die Beweise gegen den Ex-Sportminister waren offenbar erdrückend.

Man stelle sich einen ähnlichen Fall beispielsweise in Deutschland vor. So schnell könnte der Beschuldigte nicht einmal schauen, schon wäre er sämtlicher Ämter enthoben und hätte seine Glaubwürdigkeit in allen Belangen ein für alle Mal verspielt. Mutko scheint das einfach so hingenommen zu haben. Ein Kommentar in der russischen Sportzeitung Sovspor bringt es auf den Punkt: „Ich verstehe nicht, warum der Vize-Premier Witaly Mutko, den das IOC auf Lebenszeit disqualifizierte, fast 24 Stunden nach dem Urteil gegen Russland still war. Ist das nicht ein Schlag gegen den geschäftlichen Ruf einer Person, die den russischen Sport auf höchstem Niveau repräsentiert, die Sotschi vorbereitet hat und heute die WM vorbereitet?“

Mutko bastelt munter, als wäre nicht geschehen, am nächsten Prestigeobjekt Russlands, der Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Von Misskredit keine Spur. Und das, obwohl es nicht das erste Mal war, dass Witali Mutko sein Ansehen verspielt hatte.

Kein unbeschriebenes Blatt

Noch heute wirft man ihm vor, dass er in den Jahren nach 1995 sein Amt als Vize-Bürgermeister von St. Petersburg dafür genutzt hätte, um Sponsorendeals einzufädeln und dadurch den örtlichen Fußballverein Zenit soweit zu sanieren, dass der Klub in der Russischen Premier-Liga überlebensfähig wurde. Bereits damals wurde Mutko Korruption vorgeworfen. Als er 2001 zum Chef der Premjer-Liga bestimmt wurde, gelang ihm wie durch Zauberhand das Sponsoring mit dem Energieriesen Gazprom. Der Petersburger Klüngel, zu dem auch Gazprom-Chef Alexej Miller gehört, wollte aus Zenit auf die Schnelle einen europäischen Superklub modellieren.

Ebenfalls wie durch ein Wunder wurde Mutko 2005 Präsident der Russischen Fußballverbandes. Im Jahr 2008 erklomm Witali Mutko schließlich endgültig seinen sportlichen Olymp, er wurde Russischer Sportminister. Es war die Zeit, in der er die Olympischen Winterspiele 2014 nach Sotschi holen konnte und die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in trockene Tücher brachte. Und jetzt dieser olympische Skandal um ihn. Auch wenn dieser an ihm abzuperlen scheint, die WM ist noch nicht gespielt, und schon steht der nächste Whistleblower auf der Fußmatte. Grigori Rodtschenkow, ehemals Leiter des russischen Anti-Doping-Zentrums, das 2015 von der WADA aufgelöst wurde, belastet Witali Mutko auch beim Fußball.

Hier allerdings erhob das russische WM-Organisationskomitee seine Stimme und ließ sofort mitteilen: „Die Entscheidung des IOC hat keine Auswirkungen auf die Vorbereitungen für die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft 2018, da Russland und sein lokales Organisationskomitee gemeinsam mit der Fifa ihre Arbeit fortsetzen, um die bestmögliche Veranstaltung zu organisieren und durchzuführen.“ Es wäre mehr Fatal denn Ironie des Schicksals, würde das Turnier am Ende ebenfalls negativ von einem Doping-Skandal überschattet sein. Diesmal steht allerdings, anders als bei den Olympischen Spielen, die gesamte FIFA-Exekutive lautstark hinter dem Veranstalter. Im Fußballsport sei Doping ohnehin nicht möglich, heißt es geschlossen aus den Reihen der FIFA.

Jedoch seien 34 Doping-Verdachtsfälle auch beim Fußball-Weltverband aktenkundig. So soll beispielsweise der gesamte WM-Kader von 2014 davon betroffen sein. Noch dominiert der Galgenhumor: „Wenn wir unter Doping so spielen, dann stellen Sie sich vor, wie wir ohne spielen würden“, unkte Mutko erst vor kurzem. Witali Mutko, so kennt man ihn spätestens jetzt seit seinem Hinauswurf aus der Olympia-Familie, geht das, gelinde gesagt, sonst wo vorbei. Für ihn sind die Vorwürfe eine Dummheit. Rückendeckung bekommt er diesmal auch von der FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura, die einräumt, dass man bei der vorliegenden Informationslage nicht von einem weit verbreitetem Doping im russischen Fußball sprechen könne.

Dass Russland die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr entzogen wird, ist ohnehin nicht vorstellbar. Schlimmstenfalls würde der Artikel 28 des FIFA-Disziplinarcodes in Kraft treten, der den sportlichen Ausschluss eines Mitgliedslandes möglich machen kann. Ebenso könnte der WM-Chef Mutko seiner organisatorischen Pflichten entbunden werden, soviel ist denkbar. Dann würde sich der Vize-Premier wahrscheinlich wieder schütteln wie ein nasser Hund und, als wäre nichts geschehen, das nächste Projekt in Angriff nehmen. Denn wieder aufgestanden ist er noch immer.

[mb/russland.NEWS]

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