Die Programme fast aller 22 Parteien, die für vorgezogene Wahlen zur Werchowna Rada der Ukraine kandidieren, sind ideologiefrei. Um dem Wähler zu gefallen, versprechen die politischen Kräfte alles und alles basiert ausschließlich auf soziologischen Forschungsdaten – Zölle zu senken, Renten und Gehälter zu erhöhen, den Krieg im Donbass schnell zu beenden sowie die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU und der NATO zu erreichen. Wie Experten feststellen, sind sich einige Programme so ähnlich, dass sie sich nur durch die Namen der Parteien unterscheiden.
„Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Juli haben keine politischen Merkmale. Wir haben einen riesigen Pool von politischen Parteien in diesen Wahlen, die nicht Programme vorgestellt, sondern Antworten auf soziologische Forschungsdaten geben“, – sagte der Leiter des strategischen Rates der Vereinigung „Republikanischer Raum“ Jurist Mykola Siryi.
Laut der Umfrage des Sozial- und Marktforschungszentrums „Sozis“ nannten 62 Prozent der Befragten den militärischen Konflikt im Osten des Landes als das wichtigste Problem, 56,8 Prozent – niedrige Löhne und Renten, 53,3 Prozent – Anstieg der Kommunalrechnungen, 32,9 Prozent – besorgt über den Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel und Inflation, 20 Prozent – Bestechung und Korruption der Zentralregierung, 19,3 Prozent – Mangel an Beschäftigung, Arbeitslosigkeit.
Experten glauben, dass es sich um die Daten von sozialen Umfragen darüber handelt, was die Ukrainer am meisten beunruhigt und diese bildeten die Grundlage für die Programme der Parteien bei den vorgezogenen Wahlen zur Rada. Gleichzeitig sagen alle Soziologen, dass nur fünf Parteien – der Diener des Volkes Wolodymyr Selenski, die Oppositionsplattform – Für das Leben von Jurij Boyko, Wadym Rabinowitsch und Viktor Medwedtschuk, Europäische Solidarität von Petro Poroschenko, Vaterland von Julia Timoschenko und Golos des Musikers Swjatoslaw Vakarchuk – in die Rada kommen werden.
Alle Parteien erklären ausnahmslos in ihren Programmen die Notwendigkeit eines Waffenstillstands im Donbass. Aber jede politische Kraft hat ihre eigenen Ansätze, um die Situation im Osten des Landes zu lösen.
Die Partei Oppositionsplattform fürs Leben präsentierte den breitesten Plan zur Schaffung von Frieden im Land. Im Gegensatz zu den anderen vier Bewertungsparteien will sich die Oppositionsplattform auf eine Einstellung der Feindseligkeiten im Vierländereck Kiew-Donezk-Lugansk-Moskau einigen. Die Partei verspricht nicht nur ein Ende der wirtschaftlichen Blockade des Donbass, sondern auch die Gewährung eines autonomen Status für die Region, die Verabschiedung von Gesetzen über Amnestie und Wahlen sowie die Einführung einer freien Wirtschaftszone. „Durch Dialog und Kompromiss werden wir die Kämpfe beenden, eine politische Lösung des Konflikts sicherstellen und das Volk des Donbass zurückbringen und Sicherheitsgarantien bieten“, versprach die Opposition.
Die Partei will den Kurs der Ukraine in die NATO stoppen, die Sanktionen gegen Russland aufheben und den Handel mit Russland wieder aufnehmen. „Die Oppositionsplattform – Für das Leben erklärt die Einführung eines Moratoriums für Aktionen, die das Land spalten, sowie die Umsetzung einer Politik der Versöhnung und Übereinstimmung, die es der Ukraine ermöglichen wird, „zusammenzuarbeiten“.
Die Europäische Solidaritätspartei, deren Programm auf der Tatsache beruht, dass die Zukunft der Ukraine mit der EU und der NATO verbunden ist, konzentriert sich im Gegenteil auf die Notwendigkeit, den Druck auf Russland mit Unterstützung ausländischer Partner im Verhandlungsprozess im Donbass aufrechtzuerhalten. Die Partei des ehemaligen Präsidenten fordert eine Stärkung der Sanktionen und eine „Strafverfolgung Russlands wegen Verbrechen“. Die Europäische Solidarität ist der Ansicht, dass dies dazu beitragen wird, die Ukrainer, die in Russland und auf dem Gebiet des Donbass festgehalten werden, zu befreien. Darüber hinaus ist die Europäische Solidarität der Ansicht, dass UN-Friedenstruppen in diesem Gebiet eingesetzt werden sollten.
Während das Programm der Poroschenko-Partei jedoch auf die Einführung einer Mission der Vereinten Nationen verweist, sagt die Vaterland-Partei von Julia Timoschenko, dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien an der Lösung des Konflikts im Donbass beteiligt sein sollten, ohne den Minsk-Prozess und das Normandie-Format auszuschließen. Timoschenko glaubt, dass die Fragen der „Rückkehr von Krim und Donbass“ nur in einem Paket betrachtet werden können. „Der Weg zum Frieden sollte mit der Freilassung ukrainischer Geiseln durch Russland beginnen“, sagte Vaterland. Wie die Partei Poroschenkos sieht auch die politische Kraft Timoschenko keine Alternative zum Beitritt der Ukraine zur EU und NATO.
Golos des Musikers Swjatoslaw Wakartschuk besteht auf einer „unblutigen „Entbesetzung“ der besetzten Gebiete“. Die Wege zur Schaffung von Frieden im Osten des Landes werden nicht aufgezeigt.
Die wenigsten Einzelheiten gibt es im Programm der Präsidentenpartei „Diener des Volkes„. Es heißt nur, dass die Partei plant, die Gesetzesinitiativen des Präsidenten zur Wiederherstellung der territorialen Integrität und der staatlichen Souveränität des Landes zu unterstützen, geht aber nicht ins Detail. Außerdem wird der Donbass im Programm der Partei überhaupt nicht erwähnt.
Vladimir Selenski selbst hatte bereits zuvor erklärt, dass Washington und London in die Verhandlungen zur Lösung der Situation im Osten des Landes einbezogen werden müssen. Aber das Programm seiner Partei spiegelte diese Idee nicht wider.
Die Ukrainer, wie die Meinungsumfragen zeigen, erwarten von jeder neuen Regierung zunächst die Senkung der Gaspreise und der Wohnungs- und Kommunalleistungen, die Erhöhung der Sozialleistungen und der Renten. Der aktuelle Wahlkampf war da keine Ausnahme, und die Parteien reagierten sofort auf die Wünsche der Wähler. Dies versprechen vor allem die Parteien „Vaterland“ und „Oppositionsplattform – Für das Leben„.
Die Oppositionellen wollen sich auf direkte Gaslieferungen aus Russland einigen, was die Gaskosten um die Hälfte senken wird, verglichen mit dem derzeitigen Preis von mehr als 8.000 Griwna (über 300 Dollar) pro 1.000 Kubikmeter. Darüber hinaus verspricht das Programm der Oppositionsplattform, die Schulden der Bevölkerung für Wohnen und Kommunaldienstleistungen abzuschreiben, die bereits mehr als 57 Milliarden UAH (2,1 Milliarden Dollar) erreicht haben.
Timoschenko verspricht, ohne die Tradition des Populismus zu ändern, ebenso wie während der jüngsten Präsidentschaftskampagne auch, die Tarife für Gas, Wärme und Warmwasser um die Hälfte zu senken. „Vaterland wird die Preise senken, indem es ukrainisches Gas für die Bedürfnisse der Bevölkerung nutzt, was die Kosten für andere öffentliche Dienstleistungen senken wird.
Die anderen Tarifparteien haben das Thema Tarifsenkung umgangen. Die Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ hat nur versprochen, „die staatliche Strategie der Optimierung der Tarife für Wohnen und Kommunaldienstleistungen umzusetzen“. Nach Ansicht von Experten sind dies nichts anderes als laute Slogans ohne einen klaren Handlungsplan. Die europäische Solidarität spricht überhaupt nicht über die Tarifpolitik, und die Golos-Partei wies nur darauf hin, dass „es alle Möglichkeiten gibt, angemessene Nebenkosten zu haben“.
Vaterland und Oppositionsplattform – Für das Leben wollen die gesamte Sozialpolitik radikal zum Besseren verändern. Beide Parteien planen, die Sozialzahlungen bei der Geburt eines Kindes zu erhöhen. Timoschenkos Partei will, dass die Gehälter der Ukrainer in fünf Jahren auf das Niveau der polnischen Gehälter steigen. Vaterland verspricht auch, eine Mindestrente von mindestens 3094 Griwna (116 $) festzulegen, ein personalisiertes Rentensystem einzuführen und den Betrag der Zahlungen jährlich zu indexieren.
Übrigens ist das Vaterland-Programm das einzige, das die Jugendpolitik separat beschrieben hat. Timoschenko bietet Steuererleichterungen für diejenigen, die Hochschulabsolventen für ihren ersten Job einstellen. Mikrokredite für Jugendliche zur Gründung eines eigenen Unternehmens – bis zu 100.000 US-Dollar und ohne Sicherheiten. Der Zinssatz für Hypothekarkredite an junge Menschen wird für einen Zeitraum von 10 bis 30 Jahren auf nicht mehr als 3 Prozent festgelegt. Familien sollten für die Geburt von Kindern „Kinderzulagen“ erhalten.
Im Gegenzug beschloss die Oppositionsplattform – Für das Leben, das Vaterland zu übertreffen und schrieb ins Programm, die Mindestpension, den Mindestlohn und den Existenzminimumlohn auf bis zu 7.000 Griwna (ca. 265 $) zu erhöhen.
Die Parteien „Europäische Solidarität“ und „Golos“ haben das Thema soziale Unterstützung in ihren Programmen nicht berücksichtigt. Sie wiesen darauf hin, dass die Erhöhung der Sozialstandards in Übereinstimmung mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürger und den Haushaltsmöglichkeiten erfolgen wird.
Der „Diener des Volkes“ wird einen „Wirtschaftspass eines Ukrainers“ einführen, dem zufolge „alle Kinder einen Teil der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf ihre individuellen Konten erhalten werden“. Für den sozialen Bereich bereitet die Partei eine Strategie zur Optimierung der Tarife für kommunale Dienstleistungen vor. Der Volksdiener wird dies erreichen, indem er Korruption beseitigt, die eigene Produktion von Energieressourcen erhöht und Preissysteme wie Rotterdam+ abschafft. Aber zuerst verspricht die Partei, eine Volkszählung und eine Überprüfung des Sozialversicherungssystems durchzuführen.
Seit Jahren stellen Soziologen fest, dass das Sprachproblem die Ukrainer nicht besonders stört. Aber Politiker, vor allem während des Wahlkampfes, haben ihre eigene Agenda. Fast alle Parteien, mit Ausnahme der Oppositionsplattform – Für das Leben, beabsichtigen, die ukrainische Sprache zu schützen, trotz der Tatsache, dass das Gesetz über die Staatssprache, das die vollständige Ukrainisierung impliziert, bereits am 16. Juli in Kraft getreten ist.
Der Diener des Volkes plant, ein System zur Unterstützung der ukrainischen Sprache und Kultur zu schaffen, indem er einige steuerliche Anreize und Prioritäten der staatlichen Finanzierung einführt. Mit der Entwicklung „staatlicher Programme systemischer Kontakte“ will die Präsidentenpartei aktiver mit der Diaspora zusammenarbeiten.
Die Partei von Petro Poroschenko hält es auch für notwendig, Diplomaten und die Diaspora einzubeziehen, um nationale und lokale Kulturprojekte zu unterstützen.
Die Partei „Golos“ will in ihrem Programm „die Träger der modernen neuen Kultur mit echten Taten unterstützen“. Zu diesem Zweck planen die Mitstreiter von Vakarchuk den Aufbau eines Netzwerks von Kulturzentren im ganzen Land. Timoschenkos Partei will nur ein Gesetz über die Gönnerschaft verabschieden, das die Ausgaben des Staatshaushalts für Kultur reduzieren wird. Darüber hinaus wird „Vaterland“ die Gehälter im Kulturbereich innerhalb von fünf Jahren auf das europäische Niveau anheben.
Was die Sprachfrage betrifft, so heben sich die Vorschläge der „Oppositionsplattform – Für das Leben„, die die russische Sprache an Schulen und Universitäten zurückgeben wird, von anderen Parteien ab, indem sie „diskriminierende Gesetze über Sprache und Bildung, Umbenennung der Kirche und Dekommunisierung“ abschaffen. Die Partei sagte, sie sei bereit, „das Recht der Bürger, auf Russisch und Minderheitensprachen zu sprechen, zu kommunizieren und zu lernen“, zurückzugeben.
Alle Führer des Wahlkampfes, mit Ausnahme der Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben„, sind auf dem Weg zur EU und NATO.
Das Team der Diener des Volkes verspricht, die erforderlichen Gesetze zu erlassen, um das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU umzusetzen und die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und der NATO auszubauen. Darüber hinaus sagte der Leiter des Wahlkampfes, dass er die Initiativen des Präsidenten zur „Wiederherstellung der Beziehungen zu den engsten Nachbarn der Ukraine im Westen“ unterstützen werde.
Die Europäische Solidarität sagt, dass „die Zukunft der Ukraine nur in der NATO und der EU liegt“. Das Programm stellt klar, dass das Ziel der Partei darin besteht, zur Erfüllung der Kriterien beizutragen, die für die Beantragung der EU-Mitgliedschaft und den Erhalt des NATO-Mitgliedsaktionsplans bereits 2023 erforderlich sind.
Der gleiche Kurs wird von der Vaterländischen Partei gehalten, deren Programm besagt, dass „die Zukunft der Ukraine in der Europäischen Union liegt und die Sicherheit der Ukraine in der NATO“. Die Partei verspricht, das Assoziierungsabkommen mit der EU „effektiv umzusetzen“ und konsequent daran zu arbeiten, der Ukraine den NATO-Aktionsplan für die Mitgliedschaft vorzulegen.
Der Text des Wahlprogramms der Partei „Golos“ betont auch, dass die Grundlage der ukrainischen Außenpolitik der Weg zur Mitgliedschaft in der EU und zur Stärkung der Sicherheit der Ukraine durch den NATO-Beitritt sein wird. „Wir werden freundschaftliche Beziehungen zu Osteuropa – den baltischen Staaten, Polen und anderen – entwickeln. Die Ukraine hat alles, um zu einem der regionalen Marktführer in Osteuropa zu werden. Wir werden die Ukraine zu einem Führer des freien Teils des postsowjetischen Raums machen und demokratische Kräfte in den postsowjetischen Ländern unterstützen“, heißt es im Programm.
Und die Oppositionsplattform – Für das Leben will zur Politik der Multivektoralität zurückkehren. Die wichtigste außenpolitische Priorität, wie es im Programm steht, wird der Schutz der Interessen der Ukraine sein, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Entwicklung, Anziehung von Investitionen und Wachstum des Wohlbefindens der Bürger. Die Partei erklärt, dass sie die aktive Neutralität der Ukraine im militärischen und politischen Bereich gewährleisten wird und dass sie sich nicht an militärischen und politischen Bündnissen beteiligen wird, wie in Abschnitt IX der Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine vorgesehen, die Politik der gegenseitigen Sanktionen einstellen und gegenseitig vorteilhafte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und den GUS-Staaten wiederherstellen wird.
Die Opposition beabsichtigt auch, die Bedingungen für die Beteiligung der Ukraine an der Welthandelsorganisation und der Freihandelszone mit der Europäischen Union zu überprüfen, das Transitpotenzial des Landes zu erhalten und ein trilaterales Gastransportkonsortium unter Beteiligung der Ukraine, Russlands und der EU zu bilden.
Aber am Ende, so die ukrainischen Experten, sind es nicht die Programme der politischen Parteien, die die Wahl der Wähler beeinflussen. „Das Problem ist, dass alle von ihnen für die meisten Menschen von geringem Interesse sind. Sie stimmen nicht für sie, sondern für Parteiführer oder einige allgemeine Erwartungen an diese oder jene politische Kraft, – fasst der Wahlkampfpolitiker Vladimir Fesenko zusammen. – Und diese Erwartungen werden vor allem durch visuelle Agitation, öffentliche Äußerungen und konkrete Handlungen von Politikern gebildet.
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