Russlands Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2021 um 10,3 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020, berichtet Bloomberg. Kurz davor hat das Statistikamt Rosstat seine vorläufigen Zahlen veröffentlicht. Es ist das beste Ergebnis seit 2000 (Russland erholte sich damals auch von der Krise) und das beste vierteljährliche Wachstum in Russland seit Beginn des 21. Jahrhunderts.
Einige Zahlen sind im wahrsten Sinne des Wortes verblüffend. So ist der Passagierverkehr um 250 Prozent und der Einzelhandelsumsatz um fast ein Viertel gestiegen, während der Frachtumsatz um fast zehn Prozent zugenommen hat. Weniger stark ausgeprägt waren die Sektoren verarbeitendes Gewerbe (11,4 Prozent), Bergbau (7,8 Prozent) sowie Elektrizität und Erdgas (7,2 Prozent).
Damit sind die Ergebnisse in Russland höher als der Wirtschaftsaufschwung in den USA. Das BIP-Wachstum betrug dort 6,5 Prozent.
Experten reagieren jedoch auf diese Zahlen eher skeptisch und teilen die Begeisterung von russischen Rosstat-Beamten nicht. Im Vergleich zum zweiten Quartal des Jahres 2019, also vor der Pandemie, ist ein Anstieg von nur 1,7 Prozent festzustellen. Im zweiten Quartal 2020 betrug der Rückgang 7,8 Prozent. Die hohen Zahlen sind also eine Folge des so genannten „Tiefstarts“ nach einem starken Rückgang, der durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöst wurde.
Im vergangenen Frühjahr kam die gesamte russische Wirtschaft praktisch zum Erliegen, ein strenger Lockdown wurde eingeführt. Noch im ersten Quartal dieses Jahres schrumpfte das russische Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent. Nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern war dies auf zwei Faktoren zurückzuführen: die Einschränkungen aufgrund der akuten Pandemie und die geringe Nachfrage nach Erdöl und Erdgas in diesem Zeitraum. Das heißt, die russische Wirtschaft ist jetzt gerade wieder auf dem Stand von Mitte 2019. Außerdem waren die Zahlen damals so bescheiden, dass die Regierung mit Dmitri Medwedew an der Spitze gehen musste. Die Experten gehen davon aus, dass das Wachstum bereits 2022 auf 3,2 Prozent verlangsamen und in den kommenden Jahren weiter abnehmen wird.
Trotzdem ist das Ergebnis besser als die Erwartungen des Wirtschaftsministeriums, das von 10,1 Prozent ausging. „Die aktuelle Situation ist wie folgt: Einerseits erholt sich die Wirtschaft, und obwohl wir das Vorkrisenniveau – das Niveau des vierten Quartals 2019 – überschritten haben, gibt es noch Raum für weiteres Wachstum. Gleichzeitig sehen wir Ende Juni die ersten zaghaften Anzeichen dafür, dass das Wachstum des Aufschwungs nun doch zu Ende geht. Juli, August und September gehen langsam zu Ende, wir werden zwar noch wachsen, aber das Problem, das uns Sorgen macht, sind die weiteren Wachstumsraten“, sagte der Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow letzte Woche. Er warnte, dass bis zum Jahresende „eine gewisse Abkühlung der Wirtschaft“ möglich sei. Die endgültigen Zahlen werden von Rosstat am 10. September veröffentlicht.
[hrsg/russland.NEWS]
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