Zwei Wege zum gleichen Ziel: Russland

[von Christian Müller-Infosperber.ch] Fall Skripal und Fall MH17: Mit ganz unterschiedlicher Taktik wird strategisch das gleiche Ziel verfolgt: Russland ist schuldig.

Am 25. Mai 2018 ging die Meldung durch die Weltpresse, dass es nun sozusagen klar sei, dass die über der Ostukraine abgeschossene Verkehrsmaschine der Malaysian Airlines MH17 von russischen Militärs abgeschossen worden sei. Ob die NZZ in der Schweiz oder die Financial Times in UK oder wo auch immer, viele haben diese Meldung gebracht, auch wenn nicht wirklich etwas Neues zu vermelden war.

Viele Leserinnen und Leser haben das sicher gesehen, zumindest überflogen, und sich, mit einiger Wahrscheinlichkeit, dabei gedacht: Klar, hat man ja schon immer vermutet. Dass der malaysische Verkehrsminister Anthony Loke nur fünf Tage später gegenüber Channel NewsAsia sagte, es gebe keine glaubhafte Bestätigung, dass Russland hinter dem Abschuss stecke, wurde in den Medien schon gar nicht mehr erwähnt, und dies, obwohl Malaysia als «Heimatland» der Malaysian Airlines direkt an den Untersuchungen zum Abschuss der MH17 beteiligt ist.

Genauer Hinsehen lohnt sich

Der Fall Skripal ist sicher noch in bester Erinnerung. Da wird auf einen Doppelagenten ein Mordanschlag verübt, im Agenten- und Doppelagenten-Milieu an sich nichts Weltbewegendes. Das eingesetzte Nervengift war in der Sowjetunion entwickelt worden, ist in diversen Dosen und Varianten allerdings auch in anderen Ländern vorhanden, aber allein schon die Frage «Wer kann am Verschwinden dieses Mannes mit seiner Tochter ein Interesse haben?» führte innerhalb von nur wenigen Stunden zur Antwort: Das kann nur Russland sein. Die Folge: Weltweit haben über 25 Länder zusammen über 150 russische Diplomaten des Landes verwiesen, eine sogenannt «solidarische» Aktion, um Russland zu zeigen, wer da Herr auf diesem Planeten ist.

Merke: Man fragte im Fall Skripal nur danach, wer an diesem Mordanschlag Interesse gehabt haben könnte – um bereits eine verbindliche Antwort zu finden! Die konkreten Untersuchungen sind noch immer nicht abgeschlossen, es liegen noch immer keine Beweise vor.

Ein ganz anderer Fall: der Abschuss der MH17

Ganz anders verlief der Fall der abgeschossenen malaysischen Verkehrsmaschine MH17 mit 300 Toten, darunter 80 Kinder. Die Frage, wer an diesem Abschuss ein Interesse gehabt haben könnte, wurde nie gestellt! Die Untersuchung lief von Anfang an nur in die eine Richtung: aufgrund der technischen Befunde zu beweisen, dass Russland dahinter steckte! Und jetzt, vier Jahre später, nicht ganz überraschend rechtzeitig vor den Fussballweltmeisterschaften in Russland, verkündet man der Welt lauthals, dass man jetzt sozusagen sicher sei, dass die Rakete, mit der die MH17 abgeschossen worden sei, aus Russland stammte. Also sei Russland für den Abschuss auch verantwortlich.

Warum hat man im Fall der MH17 die Frage nach den möglichen Interessen hinter diesem Abschuss nie gestellt? Genau, weil dann Russland als verantwortlicher und also schuldiger Staat klar ausser Betracht gefallen wäre. Warum sollte Russland ein Interesse daran gehabt haben, in der Ukraine ein ziviles Verkehrsflugzeug der Malaysia-Airlines mit mehrheitlich niederländischen Passagieren abzuschiessen? Man mag Putin mehr oder weniger mögen, er ist mit Sicherheit ein scharf kalkulierender Staatschef. Ein solcher Abschuss konnte nur eines mit sich bringen: Internationale Anschuldigungen, weltweite Vorwürfe, weltweiter Image-Verlust, Klagen vor internationalen Gerichten, hohe Entschädigungskosten, etc etc. Nur negative Auswirkungen!

Der einzige Staat, der ein Interesse am Abschuss der MH17 überhaupt gehabt haben könnte, war die Ukraine. Ziemlich genau ein halbes Jahr nach dem Putsch auf dem Euromaidan in Kiev und ein Vierteljahr nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges in der Ostukraine aufgrund zurückgewiesener Autonomie-Begehren hätte nur Kiev ein Interesse daran haben können, mit so einem Abschuss die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit in diese unbekannte Ecke Europas zu lenken und die von russischer Seite unterstützten Separatisten als Kriegsverursacher zu deklarieren. Hätte haben können! Alle anderen in diesen Konflikt Involvierten konnten klar kein Interesse haben an diesem Abschuss.

Die MH17 war vom Tower in Kiev nicht um das Krisengebiet herumgeleitet worden. Warum? Der Pilot wurde nicht angewiesen, höher zu fliegen. Warum nicht? Zur gleichen Zeit war ein Flugzeug der ukrainischen Luftwaffe Richtung Donbass unterwegs. Mit welchem Ziel? Ein involvierter Skyguide-Mitarbeiter vom Tower in Kiev ist seither spurlos verschwunden. In der Untersuchungskommission hat sich die Ukraine das Recht ausbedungen, im künftigen Untersuchungsbericht gewisse Ergebnisse abdecken zu dürfen. Die USA haben nie Satellitenaufnahmen dieses Gebietes zum kritischen Zeitpunkt freigegeben. Und und und.

Was am wahrscheinlichsten ist

Nach wie vor am wahrscheinlichsten ist, dass die Maschine zwar tatsächlich von der Seite der Separatisten und möglicherweise mit technischer Unterstützung Russlands abgeschossen worden ist, aber aus einem Missverständnis heraus, als klares Versehen, weil eigentlich das sich ebenfalls im nahen Anflug befindliche Flugzeug der ukrainischen Luftwaffe hätte abgeschossen werden sollen. Wer diese Fehlleistung, dieses Versehen, zu verantworten hätte, wäre dann eine weitere Frage. Aber heute interessiert nicht einmal mehr, wer auf den Knopf für den Abschuss gedrückt hat und wer dazu den Befehl erteilt hat. Allein der Umstand, dass es wohl eine Rakete aus russischen Beständen war, reicht aus für die Verkündung, Russland sei für diesen Abschuss «verantwortlich». (Rhetorische Frage: In wieviele Länder und an wie viele Aufständische weltweit liefern die USA andauernd Waffen?)

Zwei Wege, ein Ziel

Im Fall Skripal ‚weiss‘ die ganze westliche Welt noch vor jeder Abklärung, dass nur Russland ein Interesse daran gehabt haben kann und deshalb alleinverantwortlich und schuldig ist – mit der Folge, dass in über 25 Ländern zusammen über 150 russische Diplomaten des Landes verwiesenen werden. Im anderen Fall wird nicht einmal die Frage gestellt, wer ein Interesse am Abschuss gehabt haben könnte, weil Russland dann ausser Betracht gefallen wäre.

So funktioniert der Informationskrieg des Westens gegen Russland. Auf welche Art auch immer argumentiert wird, so oder auch wieder ganz anders, oft entfernt von jeder Evidenz und Logik, Hauptsache bleibt: Russland ist der Alleinschuldige.

Die Taktik wechselt, die Strategie bleibt konstant. Der Westen muss einen Feind haben, damit Kriegsgefahr besteht. Und Kriegsgefahr ist dringend nötig, damit die Rüstungsindustrie liefern kann. Es geht nicht zuletzt auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Dass dabei tatsächlich ein Krieg entstehen kann, wird ganz einfach in Kauf genommen – wenn nicht sogar gewünscht. Leiden werden ja die – fernen – Menschen unter den Bomben, nicht jene, die die Bomben bauen…

Mit freundlicher Genehmigung von Infosperber.ch>>>

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