Wirtschaft der Region Rostow hat Modernisierungsbedarf

[Von Ullrich Umann Rostow am Don/Moskau-gtai] – Deutsche Unternehmen denken bei Geschäftsmöglichkeiten in Russland nicht in erster Linie an Rostow am Don. Doch diese südliche Region erweist sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als lohnenswertes Ziel. Für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau können sich hier Aufträge zur Lieferung von neuer Technik und zur Modernisierung der zahlreich vorhandenen Altanlagen deutscher Herkunft ergeben. (Kontaktanschriften) Im Gebiet Rostow stark vertreten sind der Maschinenbau, die Stahl- und Eisenindustrie, der Kohlebergbau, die chemische Industrie, die Holzverarbeitung, die Bekleidungsindustrie, die Lebensmittelverarbeitung und die Getränkeindustrie.

Die Stadt Rostow am Don gehört zu den elf Austragungsorten der Fußball-WM 2018. Deshalb zählen zu den Investitionsprojekten zahlreiche Planungs- und Bauvorhaben zur Errichtung von Stadien und Trainingslätzen, zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur und zum Ausbau des Fremdenverkehrs. Größte Projekte sind der Bau des Fußballstadions und des internationalen Flughafens. Der Airport soll zum russischen Süd-Hub für den Passagier- und Frachtverkehr avancieren.

Maschinenbaubetriebe wollen Anlagen modernisieren

Zu den großen Maschinenbaubetrieben, in denen seit Jahren, wenn nicht sogar schon Jahrzehnten, deutsche Maschinen laufen, die einer Modernisierung bedürfen, gehören der Landmaschinenersteller Rostselmasch und der Bushersteller RAZ (beide in Rostow am Don), der Produzent von Elektrolokomotiven NEWZ in Nowotscherkassk, das Stahl- und Röhrenwerk TMK und der Produzent von Heizanlagen Krasny Kotelschik (beide in Taganrog), sowie der Produzent für Bergwerkausrüstungen KMZ in Kamensk-Schachtinski. Eine Delegation von Vertretern des sächsischen Maschinenbaus, angeführt von der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS), konnte sich Anfang Oktober 2014 ein eigenes Bild von den zahlreichen Kooperationsmöglichkeiten in der Region Rostow am Don machen.

Gleich fünf Bergbaubetriebe fördern 9,5 Mio. jato Steinkohle im sogenannten Ost-Donbass auf russischer Seite der Grenze zur Ukraine. Dabei handelt es sich um die Unternehmen Russki Ugol- Don, Donski Ugol, Juschnaja Ugolnaja Kompanija, Schachta Wostotschnaja und Rostowskaja Ugolnaja Kompanija. Die Fördermenge soll bis 2015 auf 13 Mio. jato steigen. Donski Ugol treibt einen neuen Schacht namens Obuchowskaja Nr. 1 in die Erde, ausgelegt auf eine Kapazität von 3 Mio. jato. Die Rostowskaja Ugolnaja Kompanija baut den Schacht Bystrjanskaja Nr. 1-2. Hier beträgt die Kapazität 0,75 Mio. jato. Nach Veredlung des Abraumguts sollen daraus 525.000 jato Koks pro Jahr gewonnen werden.

Die Region Rostow am Don gehört zu den Zentren der chemischen Industrie in Russland. Mit OAO NZNP ging 2009 eine der landesweit wichtigen Raffinerien mit einer Kapazität von 2,5 Mio. t Rohöl an den Start. Für eine geplante Werkserweiterung wird aktuell die Infrastruktur vorbereitet. Im Ergebnis soll die Kapazität auf 7,5 Mio. t Rohöl steigen. Produziert werden Dieselkraftstoffe, Schiffsdiesel, Heizöl, Benzin und Masut. Des Weiteren sind der Hersteller von Farben und Lacken ZAO Empils sowie der Kunstfaserproduzent Kamenskwolokno Bestandteil des Chemieclusters in der Region.

Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie im Aufwind

Von besonderem Interesse für die deutsche Maschinenbauindustrie dürften die Modernisierungsund Erweiterungsprojekte der in der Region angesiedelten Nahrungs- und Getränkeindustrie sein. Einerseits ist die Agrarproduktion in Südrussland stark entwickelt, wodurch die Rohstoffversorgung auf einer soliden Grundlage steht. Andererseits erhält gerade dieser Industriezweig durch den aktuell geltenden russischen Einfuhrstopp für Nahrungsmittel aus der EU und den USA zusätzlich Auftrieb.

Zu den großen in der Region vertretenen Agrarholdings gehören Aston, Jug Rossii, Baltika, Agrokom und Ewrodon (Eurodon). Erzeugt werden Milchprodukte, Konserven mit Kernobst, Konditoreierzeugnisse, Trinkalkohol und Mineralwasser. Zudem hat sich der Getränkehersteller Coca Cola mit eigenen Abfüllanlagen in der Region niedergelassen. Fleischerzeugnisse produzieren mehr als 200 Zuchtvieh- und Schlachthöfe. Zu den größten zählen GK Tawr, das Fleischkombinat Nowotscherkassk, das Geflügelfleischkombinat Matwejewo-Kurgansk und das Fleischkombinat Zimownikowskij Orion.

Bauprojekte wecken Maschinenbedarf

Für deutsche Hersteller von Baumaschinen, Baumaterialien und Inneneinrichtungen sind die zahlreichen Vorhaben zur Vorbereitung der Fußball-WM 2018 interessant. Die Modernisierung des bestehenden Airports Juschny erhielt am 18.10.2014 die endgültige Genehmigung durch die Zulassungsbehörden. Als Investor tritt die OAO Rosavtoinvest, ein Joint Venture aus der Holding Aeroporty Regiony und der Verwaltung der Region Rostow am Don, auf. Zunächst werden 600 Mio. Rubel in die Rekonstruktion der Start- und Landebahnen des bereits bestehenden Flughafens investiert. Eine entsprechende Ausschreibung der Bauleistung wird für 2015 erwartet.

Für den Bau eines komplett neuen Flughafens scheint der Planungsprozess ebenfalls weit fortgeschritten. Dabei stellen das zu bauende Passagierterminal, der Ausbau der Straßenanbindung und die Gestaltung des Außengeländes wichtige Bestandteile dar. Die Innenfläche des Terminals soll nach Fertigstellung 50.000 qm betragen. Außerdem wird ein Wasserversorgungssystem in der Nähe des Flughafens gebaut.

Stadionbau vor Realisierungsphase

Den Zuschlag für die Projektvorbereitung und -aufsicht zum Stadionbau hat in Rostow am Don die Planungsgesellschaft Sport Engineering erhalten, die mit einem Entwurf des britischen Architektenbüros Populous angetreten war. Das Ausschreibungsergebnis sorgte für viel Aufmerksamkeit, lag doch der Bieterpreis von Sport Engineering mit 893 Mio. Rubel über dem aller anderen Bewerber laut Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. Sport Engineering wird die Projektaufsicht übernehmen, die Umweltverträglichkeit überwachen und eine Nutzungsplanung für die Zeit nach der WM erstellen. Für den reinen Stadionbau werden Kosten von 10 Mrd. Rubel (rund 227 Mio. Euro) veranschlagt.

Der Bau weiterer Sportanlagen ist mit der Errichtung des Stadions unmittelbar verbunden. Dazu gehören ein 45 ha großer Sport- und Freizeitpark mit Ruderkanal, Reithalle und Anlagen für fünfzehn weitere Sportarten. Zusätzlich werden eine Brücke und eine 35 km lange Hauptstraße durch die Millionenmetropole gebaut. Zwischen West- und Ostflügel des Stadions befördert künftig eine Niederflurbahn Besucher, für die Alstom den Zuschlag bekommen hat (laut Pressemeldungen).

Die Anforderungen der FIFA verlangen neben 45.000 Sitzplätzen im Stadium selbst eine barrierefreie Zufahrt gemäß EU-Standards. Zu den Auflagen gehören zudem 7.760 Hotelbetten. Der Weg von den Hotels in das Stadion darf maximal 40 Minuten in Anspruch nehmen.

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