Westliche Politiker als Gäste bei Olympia in Sotschi?

Wenn jetzt ein westlicher Politiker oder eine Politikerin an fehlender Aufmerksamkeit der Medien leidet, gibt es eine gute Methode, diesem unerfreulichen Zustand entgegenzuwirken und seinen Namen in den Schlagzeilen zu finden. Man braucht nur laut erklären, dass man nicht zur Olympiade nach Sotschi fahren wird. Und Basta. Man braucht dabei sogar keinen Grund zu nennen. Die Journalisten werden schon eine ganze Liste der Annahmen zusammenstellen, warum diese konkrete Person mit ihrer Präsenz die Winterolympiade nicht beglücken will.

Aller Anfang ist bekanntlich schwer und deswegen ist der „Verdienst“ von Bundespräsident Joachim Gauck um so gewichtiger. Er war der erste, der gesagt hat, dass er nach Sotschi zur Olympiade nicht reisen wird und die entsprechende Einladung des Organisationskomitees ablehnt. Über die Gründe dieser Entscheidung hat er bescheiden geschwiegen. Jetzt wird er zu Hause in Deutschland von den Menschenrechtsaktivisten und den politischen Grünen bedrängt, mit der Begründung herauszurücken. Das macht Schule und die zweite Person, die öffentlich ähnliche Entscheidung getroffen hat und der ganzen Welt über Twitter darüber berichtete, war die Vize-Kommissionspräsidentin der EU, Viviane Reding. Diese konservative Dame aus Luxemburg ist früher nicht als Wintersportfan aufgefallen    und ist auch in Brüssel nicht für Sport zuständig. Deswegen könnte man annehmen, dass sie sowieso nach Sotschi nicht eingeladen wurde. Aber Frau Reding ist immerhin Kommissarin für Justiz und    Bürgerrechte und sie hatte Mut, die Ursache ihrer Entscheidung publik zu machen. Sie fahre „sicherlich nicht hin“, twitterte Viviane Reding, „solange Minderheiten so behandelt werden“. Wen sie konkret meinte, ob Homosexuelle, Oppositionelle, ausländische Gastarbeiter oder noch jemanden, ist bis jetzt ihr Geheimnis geblieben.

Auch in Österreich versucht man den Bundespräsidenten Heinz Fischer über die Tageszeitung „Der Standard“ zu überzeugen, dass er nach Sotschi nicht fahren sollte. Als formellen Grund für eine solche ideologische Attacke hat der Kolumnist Hans Rauscher das Fehlen des Staatschefs der Republik Österreich bei den Trauerfeierlichkeiten in Südafrika genommen. Dr. Heinz Fischer hat seine Abwesenheit im österreichischen Fernsehen dadurch erklärt, dass wegen der Terminkollision er es zeitlich nicht schaffen würde, sowohl in Johannesburg als auch in Lübeck bei der Festsitzung anlässlich des 100. Geburtstags von Willy Brandt zu sein. Denn der österreichische Bundespräsident verfügt über kein Dienstflugzeug. Übrigens, bereits seit einem Jahr stand fest, dass Dr. Fischer die Festrede in Lübeck halten wird. Aber diese Argumente gelten für Journalisten Hans Rauscher nicht, und er ruft den Bundespräsidenten öffentlich auf, den olympischen Winterspielen, wo    österreichische Sportler traditionell doch so erfolgreich sind, fernzubleiben. Ich darf aus dem Kommentar Herrn Rauschers unter dem Titel “Absage für Sotschi“ zitieren: „Nicht erscheinen bei Mandela-Begräbnis, dafür aber Putin hofieren, schreibt der „Standard“-Kolumnist, das sieht nicht gut aus“. Also, wie man sieht, die antiolympisch-propagandistische Bearbeitung der führenden Politiker hat auch neutrales Österreich erreicht. Und man darf gespannt sein, ob diese gezielte Kampagne in der Alpenrepublik Früchte tragen oder kläglich scheitern wird.

Auch in den Vereinigten Staaten, genauer gesagt im offiziellen Washington, werden die Boykottdebatten in Westeuropa aufmerksam und von manchen bestimmt mit Schadensfreude verfolgt. Der konservative republikanische Senator Lindsey Graham hat bereits vor einigen Monaten dafür öffentlich plädiert, dass die USA einen Olympia-Boykott in Erwägung ziehen sollten. Allerdings nicht    wegen der Frage von Menschenrechten oder sexuellen Minderheiten in Russland, sondern wegen Edward Snowden, der von Moskau Asyl bekommen hat. Aber das ist am Ende auch eine Menschenrechtsfrage.

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