„Wer wird Russland nach 2024 regieren? Putin!“ – bekannte russische Blogger über anstehende Reformen

„Wer wird Russland nach 2024 regieren? Putin!“ – bekannte russische Blogger über anstehende Reformen

Alle russischen Medien diskutieren über den Regierungsrücktritt und Verfassungsänderungen. YouTube und Instagram in Russland sind schon lange bessere Plattformen für investigativen Journalismus und Diskussionspodien. Wir haben Meinungen von bekannten politischen Bloggern gesammelt.

Alexej Piwowarow, Journalist. YouTube KanalRedakzia“ (766.000 Abonnenten)

Wer wird unser Land regieren, besonders nach 2024? Die Antwort ist einfach: Putin wird regieren. Er schlug vor, die Befugnisse des Präsidenten zu schwächen und die Befugnisse des Staatsrates zu stärken. Bisher ist der Staatsrat ein beratendes Gremium, sollte aber politisches Gewicht bekommen. Offensichtlich wird der Präsident, der nach Putin kommt, viel weniger Autorität haben. Am wahrscheinlichsten wird Putin der Chef des Staatsrates. Oder Putin wird als Regierungschef zurückkehren. Oder Putin wird Parlamentspräsident mit erweiterten Befugnissen. So haben wir endlich Putins Pläne für 2024 verstanden: Er hört auf Präsident zu sein und wird der Vater der Nation.

Der Rücktritt der Regierung ist eine typische Aktion Putins. Immerhin forderte die Opposition diesen Rücktritt. All dies sollte ein Gefühl der politischen Veränderung hervorrufen. Die Frage ist, wie lange dieses Gefühl anhält. Der Staatsrat wird wahrscheinlich eine Art Zentralkomitee der KPdSU werden. Aber in der Sowjetunion wurde alles vom Politbüro des Zentralkomitees entschieden. Dies wird unser Sicherheitsrat sein. Und jetzt spielt es keine Rolle mehr, wer 2024 Präsident wird. Putin will als Chef bei uns bleiben

Jekaterina Schulmann, Politologin. YouTube Kanal Jekaterina Schulmann (151.000 Abonnenten)

Erstens kommt all diese Suche nach Transitszenarien aus Not heraus. In reinen Autokratien stellt sich die Frage der Wahlrotation nicht. Dort regiert ein Führer. Demokratien haben eine Wahlrotation und brauchen keine Szenarien. Dort gibt es Diskussionen. Zwischen diesen Polen befindet sich eine komplexe Welt der Hybridität, in der man phantasieren muss. Zum Beispiel sprach man über das sogenannte „weißrussische Szenario“: Wir haben einen neuen Staat und fangen von vorne an. Oder das Kasachstan-Szenario, das darin besteht, dass der Zuständigkeitsbereich des amtierenden Präsidenten auf mehrere Organe verteilt wird. Der „Big Bag“ der Autorität wird nicht an den Nachfolger übertragen. Das liegt daran, dass Putin eine Position finden muss.

Dies ist ein typisches Problem von Hybridregimen: Wie ändert man etwas, so dass sich nichts ändert? Ihr Wunsch nach Stabilität führt nur zu Veränderungen.
Was ist gut an den Veränderungen in der Verfassung? Das erste Gesetz der Politikwissenschaft – Dezentralisierung reduziert das Ausmaß der Gewalt und eröffnet Raum für politischen Wettbewerb. Über Änderungen im Wahlgesetz haben wir jedoch nichts gehört. Es wurde auch keine Justizreform vorgeschlagen.

Das Thema der Priorität des nationalen Rechts gegenüber dem internationalen ist ebenfalls unverständlich. In der Tat besteht der Vorrang des nationalen Rechts innerhalb des Landes bereits, und die Russische Föderation setzt nur die von ihr unterzeichneten internationalen Verträge um. Ich vermute, dass dies kein Versuch ist, Russland zu isolieren (Russland hat übrigens von sich aus keine einzige internationale Organisation verlassen), sondern dass es eine Art Brexit-Echo war.  Es ist eine Art Erklärung, dass keine fremden Gesetze über die Russen regieren können. Schlecht ist hier die unscharfe Formulierung.

Es gibt keinen Plan und kein einzelnes Kontrollzentrum. Tatsächlich können sich politische Systeme nur durch Wahlen an veränderte Umstände anpassen. Alles andere führt zu unvorhersehbaren Folgen.

Xenia Sobtschak, Journalistin, Politikerin, Influencer. Instagram xenia_sobchak (7 Millionen Abonnenten)

Putin versteht, dass die Hauptaufgabe darin besteht, die Macht zu behalten und sie formal zu übertragen. Niemand wird auf die Wahlen von 2024 warten, da bin ich mir absolut sicher. Die wirtschaftliche Situation wird sich nur verschlechtern, dazu kommen die Wahlen zur Staatsduma 2021, die zu einem großen Problem werden könnten. Besonders vor dem Hintergrund, dass weder Sjuganow und Schirinowski zurücktreten wollen, und die beiden gehen schon auf die 80 zu! In dieser Situation ist es notwendig, die Reform durchzuführen, solange es ein vollständig kontrolliertes Parlament gibt. Die Neuwahlen zur Duma werden vorzeitig stattfinden, da gehe ich jede Wette ein

Der Hauptpunkt der Änderungen ist nicht die Übertragung von Befugnissen zur Ernennung des Premierministers an das Parlament, sondern natürlich der Staatsrat. Ich denke, Putin als erfahrener Spieler erwägt zwei Optionen gleichzeitig. Der Staatsrat als oberste Instanz, in den er von der Präsidentschaft wechseln können, und der Unionsstaat mit Belarus.  Diese beiden Optionen werden für die formelle Übertragung von Macht von grundlegender Bedeutung sein. Daher ist die Hauptsache zu gehen, aber zu bleiben. Und natürlich machen Änderungen an der Verfassung Medwedew zu der einzigen Person in der Russischen Föderation, die nur für eine Amtszeit Präsident sein kann (und das sogar mit geschrumpften Befugnissen, was im Prinzip sehr richtig ist, aber in diesem Fall nur zur Kontrolle erfolgt). Also wir sollten ihn noch nicht abschreiben. Mit all dem ist Mischustin ein wirklich guter Kandidat für den Premierminister. Er ist ein systemischer Liberaler, der sehr erfolgreich Gehälter in Umschlägen bekämpft hatte. Mein Traumteam bestand aus Kudrin und Gref, aber Mischustin kommt aus derselben Reihen. Mein Idealbild würde so aussehen: Premierminister – German Gref, Präsident – Sergej Sobjanin. Das wird aber nicht passieren. Leider.

[hrsg/russland.NEWS]

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