Waldbrände in Sibirien: löschen oder nicht löschen?

Waldbrände in Sibirien: löschen oder nicht löschen?

Das russische Föderale Forstamt zählte am 31. Juli 147 Waldbrände auf dem Territorium von mehr als drei Million Hektar. Die Ursache für die massiven Waldbrände in Sibirien ist die ungewöhnliche Hitze und der Mangel an Regen. In fünf Regionen Russlands wurde aufgrund von Waldbränden der Notstand ausgerufen. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew wies den Leiter des Umweltministeriums, Dmitri Kobylkin, und die regionalen Gouverneure an, die Situation in den Regionen persönlich zu kontrollieren.

Die Behörden der Region Krasnojarsk gaben jedoch an, dass bisher nichts Kritisches geschehen sei. Der Gouverneur des Krasnojarsker Gebiets, Alexander Uss, sagte zuvor, dass Waldbrände „ein gewöhnliches Naturphänomen“ seien, mit denen zu kämpfen bedeutungslos und vielleicht sogar irgendwo schädlich ist“. „Vor hundert Jahren löschte niemand Waldbrände in der Landschaft“, sagte Uss während eines Treffens mit Teilnehmern eines internationalen Jugendforums.

Am 30. Juli traf der stellvertretende Leiter des Ministeriums für Notsituationen Alexander Chupriyan in der Region ein. Ihm zufolge brennt die Taiga in Sibirien und im Fernen Osten auf 3 Millionen Hektar und diese Fläche nimmt zu. Waldbrände stellen zwar keine Bedrohung für Siedlungen dar, aber die Menschen leiden unter dem Rauch. Wirtschaftliche Gründe dürften die Unterstützung der Bevölkerung, die um Hilfe bittet, nicht beeinträchtigen, so der stellvertretende Minister.

Inzwischen sind die größten Städte Sibiriens von Smog bedeckt, der durch den Ural zog und bereits Tatarstan und jetzt auch die Mongolei erreicht hatte. In russischen sozialen Netzwerken überwiegt der Galgenhumor: Die Bundesbehörden werden erst dann auf das Problem aufmerksam, wenn der Rauch Moskau erreicht.

Dabei hat das Nichtstun der Behörden sozusagen eine gesetzliche Basis. Im Jahr 2015 unterzeichnete der damalige Minister für natürliche Ressourcen und Ökologie eine „Verordnung zur Änderung der Regeln für das Löschen von Waldbränden“. Regionale Notfallkommissionen erhielten damals aufgrund dieser Verordnung die Möglichkeit Feuer nicht zu bekämpfen, wenn dies nicht Siedlungen oder Wirtschaftsgebäude bedroht und „die voraussichtlichen Löschkosten den voraussichtlichen Schaden übersteigt“.

„Es ist wirtschaftlich nicht sinnvoll, Brände zu löschen. Die Kosten für das Löschen übersteigen den wirtschaftlichen Schaden“, hieß es jetzt. Doch die Bewohner von Sibirien sind empört: „Solch eine zynische Formulierung ist für einen Staat, in dem nur ein Geldbeutel regiert, ganz natürlich. Und die Tatsache, dass alles, was mit der Natur verbunden ist, einschließlich des Menschen, untergeht, ist für dieses System absolut gleichgültig. Dies ist das wahre Gesicht der russischen Behörden“, schrieb ein Kommentator in einem der zahlreichen Internetforen.

Inzwischen begann das Luftfahrtministerium mit dem Löschen in der Region Krasnojarsk, teilte der Pressedienst des Regionalvorstandes der Nachrichtenagentur TASS mit. „Wir sehen, dass das größte Gebiet in Jakutien mehr als 1,2 Millionen Hektar umfasst. Mehr als Million Hektar brennen in der Region Krasnojarsk und etwa 700.000 Hektar in der Region Irkutsk “, sagte Grigory Kuksin, Leiter des Feuerprogramms von Greenpeace Russland, gegenüber der BBC. Die Gesamtbrennfläche entspricht in etwa der Fläche Belgiens.

„Die Situation geriet gerade deshalb außer Kontrolle, weil ursprünglich beschlossen wurde, Brände nicht zu löschen, solange sie klein sind“, erklärt Kuksin.  Dieses Verfahren ist durch die Verordnung von 2015 legitimiert. Auch zur Sowjetzeit blieben viele Brände ungelöscht. – es gab keine Raumüberwachung, und niemand hat sie gezählt“, so Kuskin gegenüber BBC.

Inzwischen haben viele russische Prominente auf Instagram an die Behörden appelliert, endlich auf die Situation mit den Waldbränden in Sibirien angemessen zu reagieren. Doch es gibt auch viele, die argumentieren, es gäbe jedes Jahr Waldbrände, die deshalb ein Naturphänomen seien, das man nicht bekämpfen kann und soll.

Voriges Jahr kam es in der Region Krasnojarsk, in Jakutien und in der Region Irkutsk zu den meisten Bränden. Dabei war die brennende Fläche fast doppelt so große wie dieses Jahr. Allerdings wurden damals keine Millionenstädte vollständig von scharfem gesundheitsschädlichem Smog bedeckt.

Aktualisiert: Der russische Präsident Wladimir Putin hat das Verteidigungsministerium angewiesen, die Waldbrände in Sibirien und im Fernen Osten zu löschen. Der Kreml erklärte, dass die Entscheidung nach dem Bericht des Ministers für Notsituationen Ewgeni Sinitschew getroffen wurde.
[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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