Vermeiden-recyceln-wiederverwenden oder weiter ungebremst Mülldeponien anlegen?@ SOBIRATOR

Vermeiden-recyceln-wiederverwenden oder weiter ungebremst Mülldeponien anlegen?

Waleria Korostelewa, Gründerin des Umwelt-Startups Sobirator (Sammler), sprach mit russland.NEWS über die Situation der Mülltrennung in Russland.

Waleria, wie kam es überhaupt zu der Entscheidung, ein Umwelt-Startup zu gründen? Denn als Sie damit anfingen, hatte in Russland  fast niemand an Ökologie gedacht.

Waleria Korostelewa: Das stimmt so nicht ganz. Damals in der Sowjetunion war es üblich, Altpapier, Altmetall oder Flaschen zu sammeln. Meine Familie lehrte mich, die Umwelt zu respektieren. In der Schule interessierte ich mich für Biologie und Ökologie und habe danach Biologie und Geografie auf Lehramt studiert. Dann habe ich in einer Öko-Schule gearbeitet, war ehrenamtlich in vielen Umweltorganisationen tätig. Ich habe über die sozialen Medien ziemlich schnell Gleichgesinnte für Sobirator gefunden. Wir haben 2013 angefangen, zunächst war es nur eine Begleitkarte für Wertstoffe. Das heißt, die Menschen brachten die recycelbaren Materialien zur Sammelstelle und auf dem Weg dorthin holten sie Sachen von anderen Leuten ab. Aber vor genau zwei Jahren haben wir beschlossen, darauf ein soziales Business aufzubauen. Heute beschäftigen wir bereits 55 Mitarbeiter. Das heißt, wir sind keine rein gemeinnützige Organisation, obwohl wir ohne Spenden nicht überleben würden. Wir führen getrennte Mülltrennung in Firmen ein, organisieren Führungen, nutzen alle modernen Formen des Marketings, um unsere Informationen zu verbreiten. Wir haben ein Öko-Zentrum, in dem es eine Sammelstelle, eine Verarbeitung, einen Shop und eine Ausstellung gibt. Ganze Kindergärten und Schulklassen kommen zu uns. Unsere Beratungsleistungen sind sehr gefragt. Wir kommen mit einem Berater, der erklärt, wie eine separate Müllsammlung in Unternehmen implementiert wird. Wir werden sogar als Veranstaltung für Weihnachtsfeier gebucht.

Ändert sich also die Einstellung zur Ökologie in Russland?

Waleria Korostelewa: Es gibt definitiv mehr Menschen, die sich der Ressourcen bewusst sind. Erstens ist dies die Generation Z, der generell nicht egal ist, was in sozialer und ökologischer Hinsicht passiert. Der Prozentsatz der sozialen Werbung ist gestiegen, und ihre Qualität hat sich verbessert. Sie ist konzeptionell geworden. Das Thema Ökologie wird nun auch von den Prominenten und populären Bloggern aufgegriffen. Ich erinnere mich, dass vor zehn Jahren nur bei Ikea eine Batteriesammelstelle gab. Heute bieten viele russische Supermarktketten solche Sammelstellen an. Es ist eben wichtig, die Verantwortung der Produzenten zu entwickeln. Sie müssen motiviert sein, ihre eigenen recycelbaren Materialien zu verwenden. Nun, nehmen wir zum Beispiel an, dass ich Kekse in kleinen Plastiktütchen herstelle. Wenn ich eine hohe Verpackungssteuer zahlen oder diese Tüten selbst einsammeln muss, überlege ich mir, wie ich die Sammlung organisieren kann. Auf diese Weise werden die Versorgungsunternehmen, der Einzelhändler und der Verbraucher einbezogen. Am Ende werde ich wahrscheinlich die Tüten ablehnen und mich für Kartonverpackungen entscheiden, weil sie einfacher zu sammeln und zu recyceln sind. Aber wir haben immer noch keine moderne Umweltgesetzgebung. In Russland werden immer noch nicht mehr als fünf Prozent des Abfalls recycelt. Die Lobby für Müllverbrennungs- und Deponiebesitzer ist hier sehr stark. Schließlich geht es hier um sehr große Geldsummen.

Warum bleibt Russland in Umweltfragen so zurück?

Waleria Korostelewa: Ich denke, es gibt eine einfache Erklärung. In Europa wurde das Thema Abfallentsorgung vor 30 Jahren angesprochen. Europa ist klein, und es gab einfach keinen Ort mehr, an dem man den Müll entsorgen konnte. Durch das Recycling von Abfällen erhalten die Menschen einen doppelten Nutzen: Sie schützen die Umwelt, schaffen neue Arbeitsplätze und neue Produkte. Russland dagegen ist riesig. Wir können für weitere hundert Jahre neue Deponien schaffen und nicht darüber nachdenken. Und wir haben viele Ressourcen. Warum also Kunststoff recyceln, wenn man ihn aus Öl herstellen kann? Ich muss aber auch sagen, dass auch in Europa sich die Konsumkultur sehr langsam entwickelt. Das Konzept der Müllvermeidung verbreitet sich eher schleppend.

In Russland, zumindest in Moskau, gibt es inzwischen separate Mülltonnen zum Sammeln von Plastik- und anderen Abfällen. Wie kann ich als Verbraucher überprüfen, ob sie am Ende doch nicht von derselben Müllabfuhr abgeholt werden und unsortiert auf einer Mülldeponie landen?

Waleria Korostelewa: Dafür gibt es soziale Bewegungen wie uns. Auf unserer Website können Sie dies leicht überprüfen. Es gibt aktuelle Informationen zu den einzelnen Stadtteilen. Wir prüfen Müllcontainer nicht nur in den Wohnvierteln, sondern auch beim Händler. Wir sind im ständigen Dialog mit den lokalen Behörden und den Betreibern. Wir versuchen ihnen bewusst zu machen, dass der richtige Umgang mit Müll für sie von Vorteil ist. In der Moskauer Stadtduma gibt es einzelne Abgeordnete, die sich um die Frage der Müllentsorgung kümmern. Aber den meisten ist es leider egal. Und bei den Unternehmen hängt alles vom Eigentümer ab.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

COMMENTS