Väterchen Frost lebt! Nicht nur Kinder glauben in Russland an Weihnachtswunder

Väterchen Frost lebt! Nicht nur Kinder glauben in Russland an Weihnachtswunder

Weihnachtsmann, Santa Claus, Christkind oder Hl. Nikolaus? Von wem bekommen eigentlich russische Kinder Besuch zu Weihnachten? Von keinem der obengenannten Herren. Und schon gar nicht zu Weihnachten.

Langer weißer Bart, roter Pelzmantel- und Mütze plus schwerer Stock und ein großer Sack voller Geschenke – das sind obligatorische Attribute vom Väterchen Frost. Selbstverständlich reist er mit einem Dreigespann, oft begleitet von seiner Enkelin Schneeglöckchen. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hl. Nikolaus – dem beliebtesten Heiligen der russischen orthodoxen Kirche, den viele russische Gläubige sogar für einen russischen Heiligen halten – hat Djed Moros (zu Deutsch: Väterchen Frost) schon.

Seine Geschichte geht so. Die Tradition mit dem Djed Moros entwickelte sich erst in den 1910er Jahren. Die Bolschewiken haben alles, was irgendwie an das alte Russland erinnerte gehasst. Und so wurden 1927 sowohl Weihnahten als auch Weihnachtsbäume samt Djed Moros verboten. Allerdings merkten die Kommunisten schnell, dass man gar ohne Traditionen auch nicht auskommt. Schon 1936 wurde das Aufstellen und Schmücken von Tannenbäumen zum Neujahrfest (aber nicht zu Weihnachten!) per Dekret erlaubt und sogar begrüßt. Väterchen Frost wurde rehabilitiert, musste jedoch einen roten Wintermantel tragen. Ab jetzt war nur er für die Bescherung zuständig. Seitdem bleibt die Tradition der sogenannten „Jolka-Feste“ also „Tannenbäume-Feste“ für die Kinder ungebrochen und ist ohne Väterchen Frost absolut undenkbar. Mehr noch – er ist sozusagen zur Hauptfigur des Neujahrsfestes geworden. In ganz Russland (wie früher in der ganzen Sowjetunion) gibt es wahrscheinlich keinen einzigen Kindergarten, keine Grundschule, wo kein Jolka-Fest gefeiert wird.

Und natürlich wünscht sich jedes russische Kind einen Besuch von Djed Moros zu Hause. Kommt er oder kommt er nicht? War ich brav? Waren meine Schulnoten gut genug? Doch dann, am 31. Dezember (wann übrigens Väterchen Frost kommt ist nie genau klar, er kann auch schon am 29. Dezember vorbeischauen, aber auch erst Anfang Januar) klingelt es.

Tausende Studenten oder sogar Schauspieler können um diese Zeit ihr Einkommen aufbessern. Denn die Dienste von Djed Moros sind sehr gefragt. Schon im November beginnen die Casting-Agenturen passende Kandidaten zu suchen. Wichtige Kriterien dabei – schauspielerisches Talent, Sinn für Humor und Aufgeschlossenheit. Je näher Silvester rückt, desto teurer wird der Besuch von Djed Moros für die Eltern. Wenn man bis zum 20. Dezember noch mit 2.000 Rubel (etwa 30 Euro) auskommt, so steigt der Preis am 31. Dezember stündlich: vom 4.300 (etwa 60 Euro) um 17 Uhr bis auf 7000 (etwa 100 Euro) Rubel um 22 Uhr. Für einen Besuch von genau 15 Minuten, wohl gemerkt.

Wer sich keinen „professionellen“ Djed Moros leisten kann, sucht im engen Verwandten- und Bekanntenkreis nach jemandem, der diese wichtige Rolle übernehmen kann. Meistens müssen die Väter selbst ran. Deswegen scherzen die Russen: „Das Leben eines Mannes hat drei Phasen: wenn er an Väterchen Frost glaubt, wenn er an Väterchen Frost nicht mehr glaubt. Und wenn er selbst Väterchen Frost ist“.

Aktuelle Untersuchungen haben das Offensichtliche zu Tage getragen: Auch Erwachsene glauben an Väterchen Frost. Zumindest waren es mehrere Tausende Moskauer, die einen Brief an ihn geschrieben haben. Seit zwei Jahren findet in öffentlichen Moskauer Parks die Kampagne „Schreibe an Djed Moros“ statt. Voriges Jahr haben freiwillige Helfer der Stiftung „Weg der Kindheit“ mehr als 4.000 Briefe gesammelt, verpackt und abgeschickt. Dieses Jahr waren es sogar mehr als 5.000 Briefe. Doch wohin mit der ganzen Post?

Lange Zeit war es nicht klar, wo das Väterchen Frost eigentlich lebt. Viele hielten den Nordpol für seine Heimat. Vor einigen Jahren ist seine Heimatstadt offiziell festgelegt worden. Die Residenz vom Väterchen Frost ist jetzt in Weliki Ustjug  – eine kleine malerische Stadt, tausend Kilometer von Moskau entfernt, im Norden Russlands. 1999 wurde dort das offizielle Haus vom Djed Moros eröffnet. Seit dem ist Weliki Ustjug ein Magnet für den russischen Familientourismus im Winter. Eine Führung durch sein Haus kostet 700 Rubel (etwa 10 Euro) für Kinder und 1500 Rubel (etwa 21 Euro) für Erwachsene. Und obwohl sein Geburtsjahr nicht ganz geklärt ist, hat er auch einen Geburtstag – den 18. November. An diesem Tag beginnt seine lange Reise durch Russland. Inzwischen hat Djeduschka Moros, wie russische Kinder ihn liebevoll nennen, sogar eine eigene Homepage: www.dom-dm.ru. Angeblich, erfüllt er jeden einzelnen Wunsch, egal, ob von Erwachsenen oder Kindern. Wer weiß, vielleicht ist er doch echt?

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

COMMENTS