[german-foreign-policy.com] Berlin und die EU stellen neue Sanktionen gegen Russland in Aussicht. Im Gespräch sind erstmals ein Waffenembargo und Kampfmaßnahmen auf dem Finanzsektor. Es sei möglich, Russland mit Finanzsanktionen „die Luft abzuschneiden“, heißt es; ergänzend werden massive Eingriffe in außenwirtschaftliche Aktivitäten deutscher Unternehmen verlangt.
Alternative Vorschläge laufen auf eine freiwillige Unterordnung Moskaus unter die westliche Hegemonie hinaus. Für den Machtkampf instrumentalisiert wird seit letztem Donnerstag insbesondere der Abschuss eines malaysischen Zivilflugzeugs mit 298 Todesopfern. Der Hinweis, es sei nach wie vor nicht klar, wer den Abschuss zu verantworten habe, sei ein lediglich „formaljuristischer“ Einwand und nicht von Bedeutung, behauptet ein prominenter Autor auf der Website einer führenden deutschen Wochenzeitschrift: „Ein politisches Urteil“ genüge vollauf, um dem russischen Präsidenten die Schuld am Tod der 298 Flugpassagiere zuzuschreiben. Die offene Absage an grundlegende Rechtsprinzipien und ihre Ersetzung durch politische Willkür erfolgt zu einer Zeit, da die weltweite Dominanz des Westens erste Brüche zeigt: Nicht zuletzt im Konflikt um die Ukraine versagt ihm eine zunehmende Zahl von Staaten weltweit die Gefolgschaft.
Brüche in der Dominanz
Brüche in der globalen Dominanz des Westens zeigten sich in den vergangenen Monaten gleich mehrfach. So musste der US-Präsident vor kurzem während einer Reise nach Ost- und Südostasien erfahren, die dortigen Verbündeten der Vereinigten Staaten seien „besorgt“: Blickten sie auf den blutigen Zerfall der Ukraine, dann verlören sie ihre bisherige Gewissheit, der Westen sei verlässlich in der Lage, ihnen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen China zu verhelfen.[1] Auch aus Nah- und Mittelost wird inzwischen berichtet, dort bemühten sich einflussreiche Staaten ebenfalls um eine Rückversicherung in Moskau, um sich nicht mehr allein auf den Westen verlassen zu müssen. Letzte Woche haben die sogenannten BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – die Gründung einer New Development Bank und eines Währungsfonds beschlossen – als Alternative zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds (IWF).[2] Beobachter weisen unter anderem auch auf eine Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen hin, bei der sich am 27. März trotz massivsten westlichen Drucks nur 100 von 193 Staaten gegen die Entscheidung der Krim-Bevölkerung aussprachen, Russland beitreten zu wollen. Elf Staaten stimmten offen dagegen, 24 zogen es vor, nicht an der Abstimmung teilzunehmen, 58 verweigerten dem Westen per Enthaltung die Gefolgschaft – darunter Schwergewichte wie Brasilien, Indien und Südafrika sowie zahlreiche weitere Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Die Ansprüche des Westens auf globale Dominanz geraten unter Druck.
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