Mit ihren offenen Attacken auf Kanzlerin Merkel und NS-Vergleichen zeigt der aggressiv-nationalistische Teil der Euromaidan-Bewegung offen sein hässliches Gesicht – in Richtung Deutschland. Er ist von den beschworenen Geistern der späten 30er Jahre weniger weit entfernt, als das Ziel seiner Angriffe, die er mit diesen in Verbindung bringen will.
Über Monate predigten deutsche Mainstream-Medien ihre Botschaft über den Euromaidan. Dieser sei liberal, demokratieliebend, für Menschenrechte, die beteiligten Rechtsradikale wie der Rechte Sektor, Swoboda oder die Radikale Partei nur unbedeutende Splittergruppen. Das mag auch für die Mehrheit der Euromaidan-Anhänger der Ukraine so stimmen. Leider aber eben nicht für die Mehrheit der gewaltbereiten Euromaidan-Aktivisten, sei es auf dem namensgebenden Platz oder jetzt mit der Waffe in der Hand und in Nationalgarden-Uniform bekleidet im Donbass. Leicht fiel es deshalb auch den russischen Staatsmedien, dem gesamten Euromaidan ein faschistische Gesicht zu geben. Man musste ja nur den aktivsten Teil der Bewegung filmen und das entstandene Material passend kommentieren, als ob alle so seien, wie diese real sind.
Doch nun – nach dem Gespräch von Merkel mit Putin in Rio und dem gemeinsamen Appell zum Waffenstillstand – zeigt dieser radikale Teil der Euromaidaner in Richtung Deutschland dermaßen massiv und deutlich sein Gesicht, dass das auch ihre Freunde in öffentlich-rechtlichen Redaktionsstuben nicht mehr kaschieren konnten. Doch was hatte Merkel real getan? Ihre Möglichkeiten zum Dialog mit Putin an Rande einer sportlichen Großveranstaltung genutzt. Ihre „Arbeit“ gemacht, Friedensstiftung, wie es (zumindest in diesem Fall) auch die Mehrheit ihrer eigenen Bevölkerung will. Und das noch mit dem Ergebnis, einen erneuten Waffenstillstand in der Ostukraine zu erreichen und am Ende auch zu fordern – gemeinsam mit Russland. Ist das faschistisch? Wohl kaum. Vielmehr zeigen all die ukrainischen Spammer auf der Kanzlerseite, wie verquer das Gedankengut in ihrem eigenen Kopf ist.
Auch Putin mag man für seine nationalkonservative Politik und Demokratiedefizite zurecht kritisieren – ein „neuer Stalin“ ist er jedoch wirklich nicht. Eher konservativ ist seine Regierungspolitik und die Ausrichtung seiner Haus- und Hofpartei „Einiges Russland“, auch wenn das westliche Rechtskonservative (die wie in Ungarn gar keine so andere Innenpolitik machen) nicht so gerne hören werden. Die Verschwörungstheorie vom neuen Hitler-Stalin-Pakt setzt dem aber nicht nur wegen den fehlenden Hitlern und Stalins die Krone auf. Fehlt Merkel doch nicht einmal bei der „Front“ der Sanktionsbefürworter gegenüber Russland und ist als westorientierte Konservative eher eine Stütze innerhalb Deutschlands gegen die heftige Kritik vieler Menschen an der einseitigen Unterstützung des Euromaidan. Noch dazu sind die Aktionen zudem unnötig, weil die nicht weniger radikalisierten Separatisten den Appell zum Gespräch und späteren Waffenstillstand nicht einmal aufgreifen und den Dialog gar nicht erst angenommen haben. Einen Dialog, der dringend nötig wäre und den auch eben jene radikalen Euromaidaner nicht wollen – nur ein toter Separatist ist offenbar ein guter Separatist, Frauen und Kinder eingeschlossen, sofern nicht nach Russland geflohen (wo sie bleiben sollen). Sie zeigen damit, dass es ihnen um die Demokratie genauso wenig geht, wie ihren Russlandorientierten-nationalistischen Gegnern, denen sie bei aller historischen Feindschaft ebenfalls ähnlicher sind, als sie je zugeben werden. Denn gerade Verschwörungstheorien gehören zum Repertoire moderner Faschisten ebenso, wie andere Leute in die rechte Ecke zu stellen, um selbst als weniger radikal zu erscheinen. Und mit Verschwörungstheorien arbeiten im Donbass die Radikalen beider Seiten fleißig.
Da werden die oben erwähnten deutschen ARD- und ZDF-Redakteure wieder einiges zu tun haben, nach diesem offenen und entlarvenden Ausbruch dieses hässliche Gesicht des Euromaidan mit viel neuem salbungsvollem Gefasel zuzukleistern. Vielleicht braucht es sogar zusätzlich noch einige gut aufgemachte „Enthüllungsreporte“ über Gerüchte aus Russland. Es könnte knapp werden, ob das noch vor dem baldigen Exitus der hoffnungslos unterlegenen Separatisten im Donbass gelingt. Wo doch auch die „gemäßigte“ Führungsfigur des aktuellen ukrainischen Regimes Poroschenko als zwielichtiger Oligarch und mit zunehmend radikaler Rhetorik („1oo tote Separatisten für 1 toten Soldaten“, wobei im Ausspruch fehlt, ob tote, separatistisch gestimmte Zivilisten „mitzählen“) auch kaum noch für positiv umschreibbare Schlagzeilen sorgt. Am Ende wird es dann vielleicht doch in der Ukraine nicht ausschließlich „gute“ Menschenrechtsliebhaber, sondern „böse“ und tote ehemalige Beteiligten am aktuell laufenden Bürgerkrieg geben.
Roland Bathon, russland.RU, Foto: Wikimedia Commons
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