Kommentar: Ukraine – Nazikrawall aus der Büchse

Es ist so offensichtlich, dass man kaum darüber schreiben will – aber was momentan in der Ukraine auf Seiten der Euromaidaner passiert ist zu bedeutend, um nicht darüber zu schreiben. Die vom Westen hochgerüsteten Nazi-Truppen des Rechten Sektors wenden sich gegen die eigenen Herren und werden zur Lebensgefahr für die Regierung in Kiew.

Gefechte und Straßensperren

Nach Gefechten mit Toten in einer westukrainischen Stadt hat die Organisation jetzt nach bestätigten Informationen Straßensperren rund um Kiew aufgebaut. Kommt einem vom Donbass bekannt vor. Gerüchte liegen in der Luft, rechtsextreme Freiwilligenheiten hätten die Front Richtung Hinterland verlassen, bereits bestätigt vom militärischen Gegner, nur noch nicht von einer unabhängigen Quelle. Die Einschätzung, dass die Organisation nun versuchen wird, die Regierung Poroschenko-Jazenjuk zu stürzen, kommt in dieser Situation nicht von russischen Beobachtern, sondern von ehemaligen ukrainischen Geheimdienstchef Nikolaj Malomusch gegenüber dem ukrainischen Sender 112. Menschenmassen unterstützen die Neonazis dabei nicht – die begleitenden Kundgebungen sind eher klein.

Ritualisierte Berichterstattung

Das übliche Ritual, wenn der Rechte Sektor aktiv wird, setzt sich in der ausländischen Presse sofort in Gang. Im deutschen Mainstream berichtet man erst gar nicht und sobald man nicht mehr drum herum kommt nur zögerlich und nicht an herausgehobenen Orten, während in Russland von der ersten Minute an das Geschehen auf Anhieb die Hauptschlagzeilen und Nachrichtensendungen füllt. Selbst auf Deutsch gibt es zu den aktuellen Spannungen in der Westukraine mehr russische als deutsche Quellen. Dieses Mal liegen die Russen näher an der wahren Bedeutung der Vorgänge, wenn auch nur aus den Motiv heraus, gerne über die dunkelste Seite des gegnerischen Euromaidan zu berichten.

Nazis aus der Büchse

Mit dem neofaschistischen Rechten Sektor hat der Euromaidan die Büchse der Pandora geöffnet. Sie halfen dabei, den auch als Sozialprotest begonnenen Euromaidan im entscheidenden Moment zu radikalisieren, nationalisieren, verhalfen den herrschenden Nationalliberalen auf den Thron. Zum Dank hat man sie schwer bewaffnet und in den aufständischen Osten geschickt – auch weil dort die meisten Angehörigen der normalen Armee nicht kämpfen wollten – geht es doch in der großen Mehrheit gegen ukrainische Landsleute dort, egal wie viel russische Freiwillige und Halbfreiwillige sie unterstützen. Genau mit der schweren Bewaffnung hat man sich  selbst den vorhersehbaren Freifahrschein in die aktuellen Unruhen ausgestellt.

Putsch statt Volksaufstand

Nun werden sie gerade durch diese Bewaffnung zur Gefahr. Für einen wahren Volksaufstand hätten die Rechten Sektoristen in der Bevölkerung in der Tat zu wenig Unterstützung, aber mit gepanzerten Fahrzeugen, panzerbrechenden Waffen und Maschinengewehren aus Regierungsbeständen schaut sie Sache schon anders aus. Bräche nun eine offene militärische Konfrontation in Kiew aus – wer würde sich auf welche Seite schlagen? Was würden all die Parteien und Gruppen machen, die sich von ihrer Positionierung irgendwo zwischen offenen Faschisten und Liberalen befinden, wie die Radikale Partei, Jazenjuks Parteifreunde aus Freiwilligenbatallionen oder Swoboda? Keiner weiß es.

Schwächephase des Oligarchenregime

Der Zeitpunkt für den Aufstand ist gut gewählt. Poroschenko und Jazenjuk, die beiden führenden Figuren des wirtschaftsliberalen Euromaidan, sind in einer Phase der Schwäche. Aktuelle Umfragen bescheinigen beiden einen radikalen Vertrauensverlust der Wähler. Vorbei sind die Träume vieler von einem schnellen Weg in den wohlhabenderen Westen – in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzung wird selbst ein visumfreier Reiseverkehr eine Utopie. Wer wird aufstehen, die im Westen viel gepriesenen Kiewer Granden zu verteidigen, wenn der rechte Mob kommt, um sie zu holen? Wird Poroschenko dann die Koffer packen müssen, wie einst Janukowitsch, nur in der entgegen gesetzten Richtung? Wird man dann aus seiner leer geräumten Villa Aufnahmen präsentieren? In der Tagesschau werden sie nicht zu sehen sein, hier würde man wohl wieder das russische TV-Programm anschalten müssen.

Fehler der westlichen Berater

Was tun eigentlich die westlichen Berater der Kiewer Regierung? Vor Ort sind US-Amerikaner durchaus auch in Tarnfleck. Die müssten eigentlich wissen, wie das ist, wenn man den falschen Leuten zu viele Waffen gibt – Afghanistan, Libyen, Syrien, die Geister, die man rief, wurde man nie los und wendeten sich immer gegen einen selbst. Mein Gott, man könnte eine ganze Armee von Sprichwörtern und Redewendungen bemühen — wenn dadurch nur was besser würde. Dachte man in der Ukraine, nur religiös radikalsierte wenden gespendete Waffen gegen den Spender und Neofaschisten nicht?

Was spannend bleibt

Zwei Dinge bleiben spannend: Wie geht es weiter – wird sich das Oligarchenregime vor seinem eigenen Nazimob retten? Und wie wir Golineh Atai das verpacken, so dass nur gute Ukrainer darin vorkommen. Wir werden die Antwort auf beide Fragen in Kürze wissen und warten ab. Frieden in Europa wird es mit der Lieferung von Waffen aber wohl kaum geben, das sollten wieder einmal alle Beteiligten aus diesen Vorkommnissen lernen. Tun sie aber nicht.

Kommentar von Roland Bathon, russland.RU; Foto: Mstyslav Chernov, Creative Commons

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