Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in der Ukraine zeigt einmal mehr, dass das Land sowohl in der deutschen, als auch in der russischen Presse verzerrt dargestellt wird. Denn das Land ist weder ein Hort der Demokratie noch des Nationalismus, sondern nun – mit Ausnahme des Ostens – fest und stabil in den Händen der Oligarchen.
Unterschiede zu Russland
Als Putin nach dem Millennium in Russland an die Macht kam, war eine seiner ersten radikalen Taten die politische Entmachtung der Oligarchen – Beresowski und Chodorkowski können ein Lied davon singen. Der Geldadel hatte sich aus der Politik heraus zu halten und würde andernfalls massive Konsequenzen spüren – diese Drohung hat Putin dann bei Chodorkowski auch wahr gemacht. Erst danach hat Putin das Land auf seinen neuen, vom Westen unabhängigen konservativ-nationalen Kurs getrimmt, den er bis heute fährt und bei dem ihn innenpolitisch gar nicht so viel von europäischen Rechtskonservativen wie Berlusconi, der ungarischen FIDESZ oder der britischen UKIP unterscheidet.
Eine derartige Zäsur hat es in der Ukraine nie gegeben. Im Hintergrund jeder Regierung – sei es Janukowitsch oder sei es das „Kabinett Euromaidan 1“ unter Juschtschenko standen immer die mächtigen Fädenzieher des Großkapitals, sei es ein auch damals schon existenter Poroschenko oder der nun im Osten so aktive Achmetow. Erst im März 2014 nach dem Euromaidan-Umsturz geschah etwas Entscheidendes: Die Oligarchen ergriffen direkt die Macht – also die umgekehrte Entwicklung wie in Russland vor zehn Jahren. Zunächst wurden Gouverneursposten unter ihnen verteilt, die vorher die nun paralysierte Janukowitsch-Partei „der Regionen“ inne gehabt hatten. Taruta erhielt Donezk, Nemirowsky Odessa, Bolozkich Lugansk. Damit war die zweite Reihe der Macht schnell besetzt, denn in der Ukraine werden – im Gegensatz zu Russland – diese Provinzfürsten von oben ernannt und nicht gewählt.
Alle Macht den Oligarchen
Nun, bei der Wahl im Mai, benötigte man doch das Wahlvolk – und dieses zog im Norden und Westen des Landes mit großer Begeisterung und unter erheblicher Beteiligung mit. Nun ist mit „Schokoladenkönig“ Poroschenko auch ein Oligarch ganz an die Spitze des Staates gerückt und selbst seine einzige Gegenkandidatur mit zweistelligem Ergebnis – „Gasprinzessin“ Timoschenko – stammt aus seiner „finanziellen Klasse“. Die im russischen TV omnipräsenten Swoboda- und Rechtssektor-Kandidaten landeten ebenso unter ferner liefen wie die Vertreter der Splittergruppen, zu denen Janukowitschs „Partei der Regionen“ zerfallen ist. Nur der noch recht frische und radikal antirussische Populist Ljaschko erzielte mit etwa 8% der Stimmen einen kleinen Achtungserfolg.
Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik
Was bedeutet das für die Zukunft der Ukraine? Zunächst einmal wird es einen deutlich wirtschaftsliberalen Kurs für das Land geben – denn mit allem anderen würde sich ein Oligarch ins eigene Fleisch schneiden. Ob das der Masse der Bevölkerung schnell den erhofften Wohlstandsgewinn bescheren wird, ist zweifelhaft und gerade das Russland der 90er Jahre ist hier ein schönes Beispiel, wie Marktradikalismus in einem maroden osteuropäischen Land scheitern kann – zumindest, was die Hebung des Wohlstands der „normalen“ Bevölkerung angeht. Und gerade die Begeisterung der Westukrainer für Markt und Westkurs erinnert stark an das Russland der frühen 90er Jahre.
Konsequenzen für den Bürgerkrieg
Zum anderen hat die Wahlentscheidung aber auch einen Einfluss auf den innerukrainischen Bürgekrieg mit dem separatistischen Osten. Denn Poroschenko gehört – ebenso wie die Kandidaten an Nummer 2 und 3 – zu einem Befürworter einer harten militärischen Lösung ohne jede Zugeständnisse. Er lehnt eine Föderalisierung der Ukraine ab, wenn er nach der Wahl zu seinen Aussagen von davor steht (was ja bei keinem Politiker garantiert ist). Es ist mit einer weiteren Eskalation im Osten zu rechnen. Mitoligarch Achmetow dürfte weiter die Rolle des „Hoffnungsträgers vor Ort“ spielen, obwohl er ja ein mächtiger Janukowitsch-Hintermann war – aber solche Dinge sieht man in der Hochfinanz nicht so eng. Hier sind wir auch beim Beleg der These, dass eine Demokratisierung der Ukraine kaum erfolgen wird, denn die würde im Osten zwangsläufig zu einer Dezentralisierung führen, die Poroschenko massiv bekämpft. Eine Gouverneurswahl etwa brächte einen sofortigen Sturz seiner frisch eingesetzten Kollegen mit sich. Dass man das im Osten und Süden des Landes schon ahnt, zeigt die niedrige Wahlbeteiligung in den Teilen der Ostukraine, in denen die Wahl durchgeführt wurde. Durch die Diskreditierung der Antimaidaner aus dem Dunstkreis von Janukowitsch äußerte sich Protest bei dieser Wahl nicht durch Stimmvergabe an andere sondern durch Wahlenthaltung.
So steuert die Ukraine auf unruhige Zeiten zu – unabhängig davon, ob ein marktradikaler Kurs das Land in ein Fiasko nach dem Vorbild des Russland der 90er Jahre führen wird oder es Poroschenko gelingt, erfolgreicher zu sein und damit den Westen und Norden des Landes erfolgreich weiter an sich zu binden. Gelingt ihm das nicht, könnte in diesen Gegegenden doch noch die Stunde der Populisten und Nationalisten schlagen, die aktuell mit etwa 10 % der Stimmen noch auf ihren großen Wurf warten, aber mit der Nationalgarde ihre eigene Hausmacht im militärischen Bereich schon geschaffen haben
Roland Bathon – russland.RU
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