Ukraine-Konflikt spaltet russische Opposition

Die radikale Opposition gegen die Regierung Putin in Russland bestand seit Jahren aus einem für Mitteleuropäer etwas merkwürdig erscheinenden Bündnis aus prowestlichen Liberalen und russischen Nationalisten. Die Tage dieser Kooperation scheinen seit der Eskalation des Konflikts in der Ukraine gezählt.

Osteuropäische Oppositionslandschaft

Die oppositionelle Landschaft Russlands ist eigentlich vielfältig und bunt. Viele der Gruppen, die an sich der Kremlpartei „Einheitliches Russland“ kritisch gegenüber stehen, teilen jedoch immer wieder einzelne Positionen der Regierung – wie die Kommunisten oder die linkskonservative Partei „Gerechtes Russland“. Das wurde gerade deutlich in der Ukraine-Krise, in dem dieses Spektrum der politischen Landschaft Russlands die Annexion der Krim bewusst unterstützte – wie die große Mehrheit der russischen Bevölkerung und damit ihrer Wähler. Natürlich wird gerade dieser Oppositionsteil auch gerne von radikaleren Putin-Gegnern als „nicht richtige Opposition“ diskreditiert, wie das auch unter radikalen gegenüber gemäßigten Linken in Deutschland üblich ist.

Normalerweise blieb bei Sachentscheidungen, die solche gemäßigten Oppositionellen mittrugen, eine Art inoffizielles radikales Oppositionsbündnis geschlossen außen vor – das aus prowestlichen Liberalen und radikalen russischen Nationalisten. Eine Zusammenarbeit dieser beiden Fraktionen klingt zunächst für deutsche Ohren wie ein Widerspruch, ist es aber in Osteuropa nicht. Gerade oppositionelle „Heldenfiguren“ wie Nawalny in Moskau zeigen sehr gut, wie sich nationale und liberale Positionen durchaus kombinieren lassen und geben Presseorganen wie der ARD viel damit zu tun, den im Westen nicht so gerne gesehenen nationalistischen Teil ihrer Ansichten zu kaschieren. Jede Demonstration und Kundgebung der radikalen Opposition zeigt zudem schon am Fahnenmeer, wessen Kinder sich hier versammelt haben – Liberale Fähnchen von „Jabloko“ einträchtig neben den Schwarz-Gelb-Weißen (kommend aus der Zarenzeit) der russisch-nationalen Rechten. Es ist kein Zufall, dass der prowestliche Euromaidan-Umsturz von einem ähnlichen nationalliberalen Bündnis ausging, da in mehreren osteuropäischen Ländern die politischen Strömungen und ihre Stellung zu Russlands Regierung ähnlich sind.

Ende der national-liberalen Eintracht

Doch gerade das Thema Ukraine spaltet nun gerade dieses über Jahre gut kooperierende, außerparlamentarische Häufchen der konsequenten Anti-Putin-Koalition in Russland. Denn für einen gestandenen und radikalen russischen Nationalisten, sind natürlich das Donbass und die Krim „rechtmäßige“ Teile von Russland, die man sich notfalls mit Gewalt „zurückholen“ sollte. Vergleichsweise erscheint da bei diesem Thema sogar der konservative und meist ebenfalls national denkende Putin-Anhänger, der dennoch die internationale Kriegsgefahr bei einem zu offensiven Vorgehen Russlands wahrnimmt, als vergleichsweise gemäßigt.

Hingegen sympathisierten natürlich viele prowestliche Liberale Russlands im Gegenteil mit dem Euromaidan und projezierten ihre Situation mit Putin auf die damalige in Kiew mit Janukowitsch. Eine Kooperation mit Nationalisten sind sie ja selbst gewohnt und auch beim Euromaidan stört man sich an dieser der liberalen Gesinnungsgenossen in der Ukraine natürlich wenig. Aufgrund der recht antimaidanischen Haltung auch unpolitischer Russen versuchten russische Liberale dann vor allem, Verständnis für die Sorgen und Nöte der Westukrainer zu wecken. Als sich dann der Konflikt Richtung Krim und dann Donbass verlagerte, kamen sie gegenüber ihren immer mehr proseparatistisch gestimmten Landsleuten in Erklärungsnot und retteten sich dadurch, bezüglich dieser Auseinandersetzung die ideologische Seite zu betonen und die ethnische herunterzuspielen. Als einzige Poroschenko-Fans Russlands stehen sie dennoch nun alleine.

Prowestler als eigentliche Verlierer

So hat sich ein tiefer Graben aufgetan in der radikalen russischen Anti-Putin-Allianz. Hauptverlierer dabei dürften jedoch die zahlenmäßig unterlegenen Liberalen sein, denn bei den vorherigen gemeinsamen Großkundgebungen waren stets die Nationalisten die größten Organisatoren des „Fußvolks“ – außer die Kommunisten waren mit beteiligt und spendeten einem Event ihr rotes Fahnenmeer. Die Liberalen wiederum waren in der „intellektuellen“ Führung gut vertreten, aber weniger mit Menschenmassen außen herum. Das zeigt sich auch recht deutlich an den „rein“ liberalen Aktionen wie vor einigen Tagen am Roten Platz, die mit viel Kreativität, aber wenig Beteiligten (zuletzt nicht einmal zwei Dutzend) auskommen müssen. 

Dazu kommt noch, dass sie gerade beim Spalter-Thema Ukraine-Konflikt nicht nur die einstigen Verbündeten, sondern auch fast den gesamten Rest des russischen Volkes gegen sich haben. Das zeigen alle Umfragen in Russland über das Verhältnis der Bevölkerung zu Poroschenko und Co. – wo die Euromaidan-Sympathisanten fast durchgehend die 5 % Hürde nicht erreichen. Angesichts der eigenen Mehrfachspaltung und noch dazu kommender Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet durch die Herrschenden im Kreml dürften deshalb die kommenden Monate und Jahre für die russische Opposition nicht einfach werden.

Roland Bathon, russland.RU

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