Während man in den deutschen Medien schon an den Ausbruch des neuen Friedens glauben könnte angesichts eines einmal weiter gehenden Kompromissvorschlag Poroschenkos, herrscht im Donbass stellenweise schon fast wieder so Krieg, als gäbe es den aktuellen Waffenstillstand gar nicht.
Kämpfe am Donezker Flughafen
Davon berichtet beispielsweise die Onlinezeitung Tajmer aus Odessa, die den Begriff des „Waffenstillstands“ auch nicht mehr ohne Anführungszeichen gebraucht. Beide Seiten beschießen sich momentan offenbar fleißig am Flughafen von Donezk, den Regierungstruppen weiter besetzt halten. Der Bericht bleibt nicht unbelegt, sondern enthält gleich noch ein Filmchen des Online-Kanals Sputnik TV, das wir auch unseren Lesern nicht vorenthalten wollen:
https://www.youtube.com/watch?v=fwmNAkGq-9c
Nach anderen Meldungen bestätigen auch Aktivisten des Rechten Sektors in einer Fronteinheit die Kämpfe, indem sie von solchen gegen eine „russische Spezialeinheit aus Sibirien“ sprechen.
Kämpfe in Eniakewo und Gorlowka
In Enjakewo sind Regierungstruppen und Rebellen offenbar tief ineinander verkeilt und eine klare Frontlinie kaum erkennbar. Gleich in der Nähe ist Gorlowka eine Stadt, die trotz heftiger Angriffe der Regierungstruppen im Juli noch immer in Rebellenhand ist. Aus beiden Orten wird Artilleriebeschuss gemeldet. Auch hier meldet Tajmer, dass beide Seiten gegen die Waffenruhe verstoßen. Wo die Situation brenzlig ist, merkt man oft am Personen-Nahverkehr, denn wenn keine Kugeln mehr pfeifen, finden sich sofort wagemutige Busfahrer, die Menschen für einen etwas erhöhten Preis wieder ans Wunschziel bringen. Der Busverkehr zwischen Mariupol und Gorlowka ist jedoch, im Gegensatz zu dem zwischen Mariupol und Donezk, aktuell komplett tot schreibt die Onlinezeitung Mariupol Schisn.
Kämpfe in Debalzewo
Debalzewo ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Donezk und Lugansk und wurde von den Regierungstruppen in deren offensiver Phase im Juli erobert. Auch von hier werden beiderseitige Kämpfe gemeldet. Im Zuge ihrer August-Offensive hatten vor dem Waffenstillstand die Rebellen bereits versucht, die Stadt zurück zu erobern, die an einer Kreuzung zweier strategisch wichtiger Hauptstraßen liegt.
Befestigungsbau bei Mariupol
Am südlichen Frontabschnitt bei Mariupol, wo zuletzt die Rebellen offensiv waren, wird ein beiderseitiger Ausbau der Kampfbefestigungen gemeldet, der ebenfalls mit einer baldigen Friedenseinkehr in einem gewissen Widerspruch steht. Wie die örtliche Onlinezeitung Mariupol Schisn berichtet, schießen aktuell dort Barrikaden und Straßensperren wie die Pilze aus dem Boden. Errichtet werden sie nicht nur von ukrainsichen Militärs, sondern auch von Euromaidanisch gesinnten Bewohnern. Die Stadt ist in der Frage, mit wem man es im Bürgerkrieg hält, tief gespalten, wobei vor dem Krieg das örtliche Mobilisierungspotential der Antimaidaner stets größer war. Gestern hatte es Schüsse am örtlichen kleine Flughafen gebeben. Die Sicherheit wird von Streifen aus Polizisten und einer Einheit namens Berkut aufrecht erhalten, die manchem von Namen vielleicht bekannt vorkommt.
Rechtsradikale Unruhen in Kiew
Mit dem Kompromissvorschlag der ukrainischen Regierung sind viele der radikaleren eigenen Anhänger nicht einverstanden, insbesondere die offenen Nationalisten. So berichtet die Onlinezeitung Politnavigator von Unruhen durch 200 gewalttätige Anhänger des Rechten Sektors. Videos davon hat sie auch gemacht:
Hier sehen wir Schläge von Aktivisten gegen einen Abgeordneten:
Auch von der an der Regierung beteiligten rechtspopulistischen Partei „Swoboda“ gab es heftige Kritik an dem Plan, dem Osten des Landes eine beschränkte Autonomie zuzubilligen, der im von Poroschenko maßgeblich ausgearbeiteten Kompromissvorschlag vorgesehen ist. Julia Timoschenkos „Vaterlandspartei“ plant eine Anfechtung der Abstimmung zu diesem Punkt, die Poroschenko politisch geschickt im Zuge der Verkündung des Assozierungsabkommens mit der EU durch das Parlament gemogelt hat. Radikale westukrainische Nationalisten plädieren inzwischen für den Sturz Poroschenkos und seine Ersetzung durch eine Militärdiktatur. Auch von Fronttruppen mit rechtsextremem Hintergrund kam Kritik am Staatsoberhaupt, weil dieser die militärische Lage zu positiv darstelle.
Roland Bathon, russland.RU; dieser Bericht beruht ausschließlich auf ukrainischen Quellen, die an den entscheidenden Stellen verlinkt sind
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