Die Ukraine, der neue Hort der Demokratie durch einen proeuropäischen Umsturz – dieses Bild versuchen uns die großen deutschen Massenmedien täglich zu verkaufen. Wer mit der neuen Regierung unzufrieden ist, wie viele in den östlichen Provinzen, muss von Russland gekauft sein. Dabei ist es gerade in der Provinz verständlich, wenn dem Gerede von neuer Demokratie nicht geglaubt wird – denn gerade die dortigen Gesichter der neuen Regierung sprechen eine andere Sprache. Und es fragt sich: Wer hat eigentlich das meiste Geld zum kaufen?
Die Rolle der Gouverneure
Die Gouverneure sind die wichtigsten politischen Funktionsträger im „flachen Land“ in Osteuropa, durchaus vergleichbar mit Ministerpräsidenten der Bundesländer in Deutschland. Und Moskau oder Kiew sind weit weg, oft tausende von Kilometern. Zurecht wurde Putin von westlichen Medien (aufs heftigste) kritisiert, als er in seiner zweiten Amtszeit die Wahlen von Gouverneuren abschaffte und ihre Ernennung vom Kreml aus einführte. Medwedjew hat in seinem Präsidenten-Zwischenspiel diese Wahl wieder eingeführt und so suchen die Russen ihre örtlichen Gouverneure heute wieder selbst aus. Aber nur die Russen – denn in der Ukraine ernennt und entlässt Kiew „von oben“ die Gouverneure nach eigenen Gutdünkten. Und die Euromaidan-Regierung hat nicht etwa vor das zu ändern – sondern ist der bisher eifrigste Nutzer dieser undemokratischen Regelung. Mit sehr zweifelhaften eigenen Kandidaten.
Massenaustausch durch Euromaidaner in der Ostukraine
So begann kurz nach dem Euromaidan-Umsturz ein wahres „Wechselfest“ vor allem im russischsprachigen Osten der Ukraine. Dort stellte zuvor Janukowitschs „Partei der Regionen“ die Mehrheit der Gouverneure. Das war auch nicht verwunderlich, denn in diesen Landesteilen war das dort auch bis zu ihrem Zusammenbruch im März 2014 die stärkste Partei. Doch Anfang März purzelten die Südost-Gouverneure als wenn es Politherbst wäre und wurden alle von der Euromaidan-Regierung ersetzt. Durch wen?
Unter den neuen Gouverneuren lassen sich nur zwei Gruppen ausmachen. Da sind zum einen zwei farblose Funktionäre der Euromaidaner, die nun ihre Pfründe einstreichen: Juri Odartschenko und Igor Baluta von Timoschenkos Vaterlandspartei (seit März neue Gouverneure von Cherson und Charkow). Diese Partei hat im Osten der Ukraine keine nennenswerte Zahl von Anhängern (letztes Wahlerergebnis in der Region Charkow ca. 15 %), aber solche Partei-Aparatschiks sind in der neuen Führungsriege des Ostens ohnehin ebenfalls in der Minderheit.
Oligarchen an die Macht
Zum anderen sind da nämlich in der großen Mehrheit einfach handfeste Oligarchen. Wie Sergej Taruta, ein Stahl-Magnat (seit März neuer Gouverneur von Donezk), Igor Kolomojsky, zweitreichster Mann der Ukraine (seit März neuer Gouverneur von Dnepropetrowsk), Wladimir Nemirowsky, Aufsichtsratsvorsitzender eines Stahlkonzerns (seit März neuer Gouverneur von Odessa) und Michail Bolotskich, noch ein ostukrainischer Oligarch (seit März neuer Gouverneur von Lugansk). Taruta wiederum gilt eigentlich als selbst vermögender Strohmann des reichsten Mannes der Ukraine überhaupt Rinat Achmetow – und wie es der „Zufall“ so will – gerade dieser Achmetow „vermittelt“ gerade zwischen den Donezker Separatisten und der Euromaidan-Regierung. Und sogar der Spiegel unkt in einem Artikel, dass diese „Vermittlung“ mit der ebenfalls in die Ostukraine gereisten Julia Timoschenko inszeniert ist, nach dem Motto „guter Oligarch – böser Oligarch“. Ach ja. Beide Präsidentschaftskandidaten des Euromaidan sind passenderweise ja auch Oligarchen: Julia „Gasprinzessin“ Timoscheko und Petro „Schokoladenkönig“ Poroschenko.
Um es einmal anders auszudrücken: Der Euromaidan hat eine korrupte Regierung mit Hintermännern aus Oligarchen (Achmetow stützte jahrelang Janukowitsch) durch eine Regierung aus Oligarchen selbst ersetzt, die vorher in der Politik ihre Erfahrungen als Geldgeber statt als -nehmer machten. Oder um es bezüglich der Demokratie mit einem deutschen Sprichwort zu sagen: Es wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Und nun wundern sich die Protegers des Euromaidan aus dem Westen, dass man dieser elesenen Equipe den Mantel des „demokratischen Freiheitskämpfers“ im Osten nicht abnimmt.
All diese Neu-Gouverneure gingen übrigens gleich an die Arbeit und tauschten im Eilverfahren auch in den örtlichen Polizei- und Verwaltungsbehörden das Spitzenpersonal gegen eigene Erfüllungsgehilfen – oft importiert aus der loyalen Westukraine oder dem eigenen Konzern – aus. So sitzen sie nun, nach einem Monat schon felsenfest im Sattel – wenn die „bösen“ Separatisten nicht wären. Die ferne Regierung in Kiew stemmt sich derweil mit aller Gewalt gegen eine Föderalisierung des Landes, um ihre Provinzfürsten ja nicht in Gefahr zu bringen. Denn jede Föderalisierung hätte zwangsläufig eine Gouverneurswahl zur Folge und kaum einer der Apparatschiks örtlicher Kleinparteien oder zwielichtigen Oligarchen würde eine solche wohl überstehen. Obwohl eine Föderalisierung der einzige Weg wäre, radikalen Separatisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Im Westen nur Schweigen
Hört man zu diesem Thema Kritik von westeuropäischer Presse oder gar der offiziellen Politik? Wo sind die sonst so lauten Verfechter der Menschenrechte bei diesem Thema? Wo ist die aufklärende deutsche Mainstream-Presse, die Hintergründe und Unmut erklärt, anstatt jeder Opposition „russische Unterwanderung“ zu unterstellen? Die echte Demokratie für die Ukraine einfordert? Schließen wir diesen Artikel mit einem Zitat des SPD-Politikers Egon Bahr: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte“. Das gilt für die innerukrainische Politik nicht weniger.
Roland Bathon – russland.RU; Foto: Manuel Dohmen, Wikimedia Commons
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