«Tichanowskaja ist Präsidentin des Volkes“ – erster Kommentar zu Präsidentschaftswahlen in WeißrusslandAndrei Susdaltsew

«Tichanowskaja ist Präsidentin des Volkes“ – erster Kommentar zu Präsidentschaftswahlen in Weißrussland

von Andrei Susdaltsew, russischer Politikwissenschaftler, stellvertretender Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Higher School of Economic

Nach den ersten Angaben der Wahltagsbefragungen bekam Lukaschenko nur 15 Prozent der Stimmen, während Swetlana Tichanowskaja, die Ehefrau des inhaftierten Bloggers Sergej Tichanowskij, etwa 65 bis 70 Prozent der Stimmen erhielt. Dies sind die Daten um 18.30 Uhr Moskauer Zeit. Ich würde es eine ideale Protestwahlen und ein völliges Versagen des amtierenden Präsidenten nennen. Und dies trotz der Tatsache, dass das Internet und sogar Mobiltelefone im ganzen Land gestört waren.

Aber die Polittechnologen, die sich das ausgedacht haben, haben sich selbst ein Bein gestellt. Die Menschen konnten nicht über das Internet kommunizieren, deshalb gingen sie auf die Straße, gingen zur Wahl. Vor den Wahllokalen standen riesige Schlangen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 75 Prozent. Es gab einen Mangel an Stimmzetteln, was sich dadurch erklärt, dass die Behörden nicht mit einer so hohen Wahlbeteiligung gerechnet haben. Mit anderen Worten, die Machtinhaber sind dermaßen verlogen, dass sie von allem, was geschah, vollkommen überrascht wurden. Die Wahlkommission gab bekannt, dass 40 Prozent der Wähler von der vorfristigen Stimmabgabe Gebrauch gemacht hatten. Das ist sehr fragwürdig.

Ich glaube, Swetlana Tichanowskaja sollte zur Präsidentin des Volkes erklärt werden. Lukaschenko wird sich wahrscheinlich, wie immer, 90 Prozent der Stimmen zuschreiben und das Wahlergebnis nicht anerkennen. Es ist kein Zufall, dass er immer wieder sagte, er wolle das Land nicht „abgeben“. Die Menschen werden diesmal jedoch nicht an die gefälschten Zahlen glauben. Die Weißrussen haben vor nichts mehr Angst, und es gibt viele von ihnen.

Lukaschenko kennt den wahren Stand der Dinge sehr gut. Soldaten und militärische Ausrüstung werden in Minsk zusammengezogen, um Stärke zu demonstrieren. Mir aller Kraft will er erreichen, dass die Menschen nicht auf die Straße gehen. Aber die Zusammenstöße sind leider vorprogrammiert.

Was Russland betrifft, so hat Lukaschenko Geiseln genommen. 33 Russen sitzen jetzt in Weißrussland in Haft, und wenn Russland seinen Wahlsieg nicht anerkennt, wird er sie der Ukraine übergeben.

Alexander Lukaschenko wird also bis zum Ende um sein Amt kämpfen. Nach meinen Angaben hat er jedoch bereits seine ganze Familie, alle seine Söhne samt Frauen und Enkelkinder außer Landes gebracht. Ein Sonderflugzeug ist von Minsk nach Katar unterwegs, wo Lukaschenkos Clan Milliarden von Dollar besitzt.

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