Stalin-Biograf Montefiore: Putin ist nicht Stalin

Stalin-Biograf Montefiore: Putin ist nicht Stalin

Putin ist nicht Stalin, stellt der britische Historiker und Stalin-Biograf Simon Sebag Montefiore im New Statesment klar, und das nicht nur weil Stalin sowohl in seinen Verbrechen als auch in seinen Verdiensten größer war. Die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich recht schnell, schreibt das Kulturmagazin Perlentaucher, mit dessen freundlicher Genehmigung wir diesen Auszug aus Montefiores Artikel übernehmen:

„Stalin und Putin teilen die Ansicht, dass eine auf Zwang gestützte Autokratie die beste Art sei, Russland zu regieren. ‚Russen brauchen einen Zar‘, befand der Marxist Stalin. Das glaubt auch Putin, der für sich gern den Mystizismus und Pomp zaristischer Großartigkeit in Anspruch nimmt.

Beide teilen eine Obsession für die Geschichte. Immer wenn Putin Historiker trifft, fragt er, wie die Geschichte ihn beurteilen werde. Als der frühere amerikanische Botschafter in der Sowjetunion, W. Averell Harriman, Stalin zur Einnahme Berlins gratulierte, erwiderte er: ‚Ja danke, aber Alexander I. nahm Paris.‘

Doch die Unterschiede fallen ebenso ins Auge. Stalin war ein Georgier, geboren unter dem Namen Dschugaschwili. Der in Leningrad geborene Putin betonte in den ersten Tagen seiner Invasion in die Ukraine: ‚Ich bin Russe.‘

Stalin war ein fanatischer marxistischer Internationalist; Putin glaubt an den Exzeptionalismus der ‚Russischen Welt‘, die mit dem Übertritt von Wladimir dem Großen zum orthodoxen Glauben im Jahr 988 ihren Anfang nahm. Er verachtet die marxistische Ideologie und glaubt, dass mit Lenins Revolution das russische Imperium zertrümmert wurde. Der Kommunismus steht ihm fern, er setzt auf einen Kreml-KGB-Kapitalismus.

Stalin, der sich nicht für Geld interessierte und nur eine Reihe von Uniformen besaß (auch wenn er gern in komfortablen Villen residierte), wäre abgestoßen von der Vulgarität der Yachten und Flugzeuge der russischen Superreichen.“

Simon Sebag Montefiore geboren 1965 in London, studierte Geschichte in Cambridge. In den neunziger Jahren unternahm er ausgedehnte Reisen in die ehemalige Sowjetunion, besonders in den Kaukasus, die Ukraine und Zentralasien. Er ist der Autor zahlreicher Weltbestseller über russische Geschichte, die in über 35 Sprachen übersetzt worden sind. Seine Stalin-Biografie „Stalin – Am Hof des Roten Zaren“ wurde mit dem History Book of the Year Prize der British Book Awards ausgezeichnet, für „Der junge Stalin“ erhielt er den Los Angeles Times Book Prize in Biography, den Costa Biography Prize, den Bruno Kreisky-Preis für politische Literatur und den Grand Prix de la Biographie Politique. Simon Sebag Montefiore ist Mitglied der Royal Society of Literature und lebt mit seiner Frau, der Romanautorin Santa Montefiore, und seinen beiden Kindern in London.

 

 

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