Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Die bautechnischen Planungen zur Fußball-WM 2018 werden revidiert. Kosten müssen gespart und Bauzeiten gestrafft werden. Gründe sind Haushaltsengpässe und die Importsubstitutionspolitik der russischen Regierung. Die Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Anbieter trüben sich dadurch ein. Doch sie sind nicht komplett chancenlos. Vor allem die Einhaltung der kritischen Zeitvorgaben erfordert Qualitätsanbieter mit Organisationstalent.
Um laufende Bauvorhaben an den gekürzten Finanzrahmen anzupassen, sollen Planungskorrekturen ohne Neuausschreibung ausgeführt werden. Neben der Finanzknappheit sitzt den Organisatoren der Fußball-WM die Zeit im Nacken. Premierminister Dmitry Medwedew unterschrieb deshalb im April 2015 einen Erlass in dem es heißt: „Eine Projektkorrektur für die WM-Stadien ist erforderlich. Darin eingeschlossen sind die Ablösung von Materialien und Ausrüstungen ausländischer Produktion durch russische Analogien sowie eine Vereinfachung der Stadionüberdachung und ihrer architektonischen Form.“
Überwacht werden die Projektanpassungen durch das Föderale Sportministerium und die staatliche Gesellschaft FGUP Sport-Engineering. Von der grundlegenden Planung der WM wird allerdings nicht abgewichen: Gebaut werden sechs Stadien zu je 45.000 Sitzplätzen, und zwar in Wolgograd, Nischni Nowgorod, Rostow-am-Don, Samara, Kazan und in Saransk. Ein weiteres Stadion mit 35.000 Sitzplätzen entsteht in Kaliningrad.
Erst ein einziges Stadion fertig
Die bereits existierenden Stadien in Sotchi mit 45.000 Sitzplätzen und in Jekaterinburg mit 35.000 Sitzplätzen werden umgebaut. Das gilt auch für das Moskauer Zentralstadion Luschniki für 81.000 Zuschauer. Das Zenit-Stadion in Sankt Petersburg soll einmal für 69.000 Fans Platz bieten. Das zweite Stadion in Moskau, die Arena Otkrytije für 45.000 Zuschauer, ist bereits fertig und in Betrieb.
Kürzungen sind beim Bau beziehungsweise Umbau von fünf Stadien geplant. Pauschal abgelehnt hat das Sportministerium die Übernahme von Mehrkosten beim Stadionbau in Samara, Saransk, Wolgograd, Nischni Nowgorod und Rostow-am-Don. Die Projekte Jekaterinburg und Kaliningrad wurden mit Einverständnis der FIFA von 45.000 auf 35.000 Zuschauerplätze abgespeckt.
Übernahme von Mehrkosten abgelehnt
Unter dem Strich sollen alle Vorhaben im bereits 2013 aufgestellten Gesamthaushalt zum Stadionbau von 121 Mrd. Rubel (2,17 Mrd. Euro) untergebracht werden. In diesem Zusammenhang ordnete Sportminister Mutko im Frühjahr 2014 an, dass die Stadien Kaliningrad, Nischni Nowgorod, Rostow-am-Don, Samara, Saransk, Wolgograd und Jekaterinburg jeweils maximal 15,2 Mrd. Rubel (0,27 Mrd. Euro) kosten können.
Aber schon im Dezember des gleichen Jahres wurde bekannt, dass Saransk 17,10 Mrd. (0,3 Mrd. Euro) und Nischni-Nowgorod 17,02 Mrd. Rubel zur Fertigstellung benötigen. Die örtlichen Verantwortlichen wiesen darauf hin, dass sich im Zuge der Rubelabwertung die Importe verteuert haben, weshalb eine Etataufstockung unausweichlich sei, denn gemäß Planungen stammen 70% der Materialien und Ausrüstungen aus dem Ausland.
Die Regierungsantwort wurde schnell verfasst: es wird keinen einzigen zusätzlichen Rubel geben. Als Ausweg wurde auf eine Herunterstufung der technischen Lösungen und auf Importsubstitutionen verwiesen. Als Kompromiss stellte die Regierung den Generalauftragnehmern in Aussicht, in bestimmten Ausnahmefällen eine Minderung der Einfuhrzölle für nicht ablösbare Importe und einen Wegfall der MwSt. zu erwägen.
Keine bautechnischen Superlativen
Eine Sportgroßveranstaltung der bautechnischen Superlativen, wie es noch zu den olympischen Winterspielen 2014 in Sotchi der Fall war, wird es zur Fußball-WM 2018 somit nicht geben. Zumindest nicht in den kleineren Austragungsorten außerhalb von Moskau und Sankt Petersburg. Neben der Kostenbremse beim Stadionbau werden Kürzungen der Infrastruktur um die Stadien herum geprüft. Auf der Streichliste befindet sich aktuell der Bau von 25 Hotels mit zusammen 5.000 Betten. Das wären etwa 30% der geplanten Unterbringungsmöglichkeiten für WM-Gäste.
Neben dem Bau von Sportanlagen für 121 Mrd. Rubel (2,17 Mrd. Euro) fließen 516,6 Mrd. Rubel (9,27 Mrd. Euro) für Bauvorhaben im Fremdenverkehr und Transport, darunter für den Bau oder Ausbau von Flughäfen an den Austragungsorten. Somit würde die WM insgesamt 637,6 Mrd. Rubel (11,45 Mrd. Euro) kosten. Davon muss der Föderale Haushalt 336 Mrd. Rubel (6,03 Mrd. Euro) tragen. Den Rest teilen sich die Regionen, staatliche Banken, Staatskonzerne und private Investoren. Sollten die erwähnten 25 Hotels wirklich nicht gebaut werden, würden die Gesamtkosten schon einmal um 27 Mrd. Rubel (0,48 Mrd. Euro) sinken.
Fristeinhaltung wird erzwungen
Um die Generalauftragnehmer nicht nur zur Kostendisziplin, sondern auch zur fristgerechten Fertigstellung alle Bauvorhaben zu bewegen, denken die WM-Organisatoren über die Einführung von Strafzahlungen bei Verzögerungen nach. Zwar soll die Höhe der Strafen noch nicht feststehen. Doch wird eine Aufnahme entsprechender Klauseln in die Vergabeverträge diskutiert. Analog wurde bei der Vorbereitung der Olympischen Spiele 2014 in Sotchi vorgegangen. Für jeden Tag verspätete Fertigstellung wurden damals 2 Mio. Rubel (0,03 Mio. Euro) Strafzahlungen fällig. Zum aktuellen Zeitpunkt liegt etwa die Hälfte aller WM-Bauprojekte hinter dem Zeitplan.
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