Sprachblog: Von woher kommt das eigentlich?

In Russland fallen jedem ziemlich schnell gewisse Regelmässigkeiten bei den Ortsbezeichnungen auf. Kleinere Siedlungen enden verdächtig oft auf –ово: Шереметьево, Кунцово, Романово, Холмово usw. Auch auf Schritt und Tritt anzutreffen ist das –ск: Иркутск, Курск, Покровск sind nur drei aus einer Vielzahl von Beispielen. Ebenso häufig sind Personennamen in den Ortsbezeichnungen enthalten: Михайлово, Петровское, Софиевка und dergleichen. Diese Häufungen sind nicht zufällig. Auf russisch heisst Dorf село, sächlichen Geschlechts. Die Endung –ово gibt ein Zugehörigkeitsverhältnis an. Das Dorf Романовo wurde einst von einem Роман oder einem Herrn Романов gegründet, oder lag auf den Ländereien eines Adligen mit diesem Namen. Село Романово heisst somit schlicht und einfach ’’Romans Dorf’’. Im Laufe der Zeit wurde село weggelassen, da es als allgemeiner Ausdruck wenig zur Präzisierung des Ortsnames beitrug. An den Ortsnamen lassen sich einstige Besitzverhältnisse noch heute ablesen: Der Moskauer Flughafen Шереметьево steht an der Stelle, wo früher das gleichnamige Dorf lag. Und dieses wiederum hatte seinen Namen nach dem Grafen Шереметьев, dem die Ländereien im Moskauer Umland einst gehörten. Ярославль, die wunderschöne alte Stadt an der Wolga, wurde vor rund tausend Jahren von Jaroslaw dem Weisen gegründet.

Die Endung –ск deutet eine Beziehung zu irgendeinem Objekt- nicht zu einer Person- an. Витебск in Weissrussland liegt am Fluss Витьба, Иркуктск am Иркут. Mit der Zeit erwarb die Endung den Geruch des städtischen: Fortan wurden die meisten grösseren Ortschaften mit dem Anhängsel bedacht, so zum Beispiel Хабаровск. Benannt ist die Stadt nach ihrem Gründer und Erforscher der Region, dem Kaufmann  Хабаров. Хабаровo wäre schon etwas mickrig gewesen- schliesslich ist es eine Stadt und kein Kuhdorf! Es gibt zahlreiche Fälle, wo russische Siedlungen gewachsen sind und sich das Wachstum im Namen niederschlug: Die Stadt Алметьевск begann einst ihre Karriere als kleines Dorf mit Namen Алметьево.

Ebenfalls häufig anzutreffen ist город, was auf russisch Stadt heisst. Seinen Ursprung hat das Wort in городня, was seinerseits Stadtmauer bedeutete. Mit diesem Begriff verwandt sind граница und ограда, die Grenze und der Zaun. Und noch heute heisst der Gemüsegarten огород, ist doch ein Schrebergarten nichts anderes als ein eingegrenztes Stück Land. Город bezeichnete somit einen Ort, der von einer Mauer eingegrenzt war. So findet man denn über ganz Russland verteilt Ortschaften wie Звенигород (’’Stadt des Swenislaw’’), Ивангород, Вышгород (’’Hoch-Stadt’’, wohl auf einem Hügel gelegen) Новгород (’’Neue Stadt’’). Град ist genau das gleiche in anderer Schreibweise. Das berühmteste Beispiel hierzu ist Ленинград.
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Auch Kuriositäten finden sich, wie der Fall des weissrussischen Dörfchens Блевачи, welches sich durch eine unangenehme Nähe zu блевать (kotzen) auszeichnet.

Schliesslich kamen fanden auch Naturphänomene Eingang in die Bezeichnungen. Лесное und Залесск enthalten das Wort лес, Wald. Заречье heisst ’’hinter dem Fluss’’ und Тригорское bedeutet ’’Drei Berge’’. Der Fischreichtum im nahem Fluss gab Рыбинск den Namen: Рыба steht für Fisch. Липа heisst Linde und stand Pate bei Ortschaften wie Липовая Гора (Lindenberg). Wie zur Bezahlung für das aus Deutschland importierte –бург (Екатеринбург, Санкт-Петербург usw.) gab die russische липа auch einer deutschen Stadt den Namen: Leipzig steht auf der alten slawischen Siedlung Липск.
Dieser Text wurde uns von den Liden & Denz Sprachschulen für Russisch in St. Petersburg und Moskau zur Verfügung gestellt.

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