SPIEF 2017: Optimismus und Pessimismus nahe beisammen

[von Eugen von Arb] Der russische Präsident Putin gab sich gut gelaunt und nutzte das Forum, um sich in Szene zu setzen. Seine Entourage – die Vertreter der staatlichen und halbstaatlichen Konzerne, gaben sich natürlich optimistisch. Die großen Köpfe der Bank VTB, Lukoil, Rosneft, Rostelekom beschrieben das diesjährige Forum als durchwegs erfolgreich und innovativ.

Blutauffrischung in der Wirtschaftselite gefordert

Auch die Senatsvorsitzende und ehemalige Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko wies laut Fontanka.ru auf das wachsende Potential der russischen Wirtschaft hin –  etwas anderes war kaum zu erwarten. Immerhin meinte Sberbank-Chef German Gref selbstkritisch, die russische Wirtschaftselite brauche ein „Blutauffrischung“ durch Vertreter der jüngeren Generation. Dafür hatten sich auch 50 Prozent aller Befragten einer anonymen Umfrage ausgesprochen.

Der Optimismus wird von zwei Faktoren gestützt – zum einen von einer gewissen politischen Entspannung und einer dementsprechenden interessanteren Gästeliste. Neben anderen hohen politischen Vertretern waren der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer sowie der österreichischen Kanzler Christian Kern vor Ort.

Schritte aus der Wagenburg heraus

Damit hat sich Westeuropa eindeutig aus der Wagenburg herausgewagt, wenngleich von einer Lockerung der Sanktionen gegenüber Russland bisher keine Rede ist. Die deutsche Wirtschaft kam mit Siemens-Chef Joe Kaeser, außerdem waren Topvertreter von Uniper, Wintershall, Deutscher Bank, SAP, BASF, sowie der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele in St. Petersburg.

Zum anderen sollen von den unterzeichneten Investitionsverträgen in Höhe von zwei Billionen Rubel allein 250 Milliarden Rubel für Investitionen in Petersburg ausgegeben werden. Wie immer sind die Zahlen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn längst nicht alle Projekte kommen in der Praxis zustande.

Kudrin verlangt Verdopplung der Industrieproduktion

Wie immer wohnten dem Forum aber auch unabhängigere und kritischere Geister bei – allen voran der Ex-Wirtschaftsminister und stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsrats des russischen Präsidenten, Alexej Kudrin. Er kritisierte offen die Wirtschaftspolitik des Kremls und forderte die Regierung unter anderem dazu auf, das jährliche Wachstum des Brutosozialprodukts von derzeit 1,5 Prozent durch die Erhöhung der eigenen Industrieproduktion zu verdoppeln.

1,5 Prozent seien eindeutig zu wenig, sagte er gegenüber Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin in einer Panneldiskussion. Man sei in diesem Trend steckengeblieben und könne nicht mehr als zwei bis drei Prozent erreichen. Wer bei neuen Technologien vorwärtskomme, der werde Geld verdienen. Um ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu erreichen, brauche Russland eine neue Aussenpolitik.

Mehr innovative Universitäten gefordert

Außerdem forderte Kudrin die Eröffnung von zusätzlichen Universitäten, die bei der Entwicklung neuer Technologien direkt mit der Wirtschaft zusammenarbeiten würden. Als Beispiel nannte er das Petersburger Polytechnikum. In einem Land mit 20 Millionenstädten und großen Agglomerationen brauche es rund 150 solcher Bildungsstätten – das heißt rund zehn Mal soviel wie heute.

Kudrin kritisierte die „Planwirtschaft“ des Kremls und merkte an, dass seine Wirtschaftsstrategien jeweils nicht mehr als zu 40 Prozent umgesetzt würden, worin die Effizienz der Regierung ersichtlich sei. Damit spielte er unter anderem auf die Reformprogramme für den Zeitraum 2018-24 an, welche er und der Business-Ombudsmann Boris Titow Ende Mai dem Präsidenten unterbreitet hatten. Darin verlangte er unter anderem den Rückzug des Staates aus den Rohstoffkonzernen und die Verbesserung der Bedingungen für KMUs und innovative Unternehmen.

[Eugen von Arb/St. Petersburger Herold]

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