Solschenizyn und Wyssozki auf dem Prüfstand: Duma-Abgeordneter will „falsche“ Bücher aus Lehrplänen streichen

Solschenizyn und Wyssozki auf dem Prüfstand: Duma-Abgeordneter will „falsche“ Bücher aus Lehrplänen streichen

Viele Fakten in diesem Buch seien „aus der Luft gegriffen, erfunden“, wie eine historische Analyse zeige, und der Autor wollte einen Preis dafür gewinnen, „dass er sein eigenes Heimatland in den Dreck zieht“. Deshalb sollte das Werk aus dem Lehrplan der Schulen gestrichen werden.

Wer, wann, wo und welches Buch steht auf dem Prüfstand? ? Geht es um das Nazi-Deutschland der dreißiger Jahre und eine Aktion gegen „Entartete Kunst“? Oder um die stalinistische Sowjetunion, die nach der Revolution von 1917 Schriftsteller verbot, die das Land verlassen hatten? Weder noch!

Dies schlug Dmitri Wjatkin vor, erster stellvertretender Vorsitzender der Parteifraktion von „Einiges Russland“ des russischen Parlaments, der Staatsduma. Empört ist er über das Werk „Der Archipel Gulag“ des Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyns (1918-2008). Das Buch, das auf Briefen, Memoiren und mündlichen Berichten von 257 Häftlingen sowie persönlichen Erlebnissen des Autors basiert, beschreibt die Massenrepressionen in der Sowjetunion zwischen 1918 und 1956.

Solschenizyn wurde 1945 verhaftet und verbrachte acht Jahre in stalinistischen Lagern. Im Jahr 1970 erhielt er den Nobelpreis für Literatur „für die moralische Kraft, mit der er die unvergänglichen Traditionen der russischen Literatur fortgeführt hat“.

1974 kam es zur erneut zu einer Verhaftung, diesmal wegen Vaterlandsverrats. Er verlor die sowjetische Staatsbürgerschaft und wurde später des Landes verwiesen.

Solschenizyn kehrte 1994 aus den USA nach Russland zurück und erlangte bei vielen Russen Heldenstatus. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.  Ein russischer Literaturpreis für Schriftsteller, „deren Werk einen hohen künstlerischen Wert besitzt, zur Selbsterkenntnis Russlands beiträgt und einen bedeutenden Beitrag zur Bewahrung und sorgfältigen Entwicklung der Traditionen der russischen Literatur leistet“, wurde nach ihm benannt.

Nach einem Treffen mit der Witwe des Schriftstellers, Natalia Solschenizina im Jahr 2009, sorgte der damalige Premierminister Wladimir Putin für die Aufnahme des „Archipel Gulag“ in den Schullehrplan. Im Dezember 2018 enthüllte Wieder-Präsident Putin ein Denkmal für Solschenizyn in Moskau.

Und nun fordert ein Duma-Abgeordneter, das Buch aus den Schulen zu verbannen. Wjatkin kündigte an, der Lehrplan für das Schulfach „Literatur“ werde noch in diesem Jahr geändert, um „sowjetischen Werken, die den Patriotismus fördern und die historische Erinnerung bewahren, historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“. Diejenigen Werke, die sich nicht bewährt haben, die nicht der Realität entsprechen, sollen „ohne Zweifel aus dem Lehrplan gestrichen werden“, so der Abgeordnete. Dazu zählt er auch all das, was der russische Sänger, Schauspieler und Dichter Wladimir Wyssozki gesungen und geschrieben hat – 2018 nach Jury Gagarin auf Platz zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten Russlands des 20. Jahrhunderts.

Die Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Bildung dementiert allerdings den Ausschluss des „Archipel Gulag“ aus dem Lehrplan. Diese Frage stehe „weder auf der Plattform von Einiges Russland, noch auf der der Duma-Parteifraktion“, und sei „weder im zuständigen Duma-Ausschuss noch mit Experten diskutiert“ worden.

Auch Alexander Brod vom russischen Menschenrechtsrat (HRC) lehnte Wjatkins Vorschläge ab. Die Streichung von Literaturklassikern aus dem Lehrplan habe „nichts mit zivilisierter Entwicklung zu tun“, man solle in dieser Frage „nicht so handeln wie die Behörden der Ukraine und der baltischen Staaten“.

[Daria Boll-Palievska/russland.NEWS]

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