[von Michael Barth] – Seine Reise sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgesprochen gewesen, beteuert Seehofer. Der bis zuletzt kolportierte Alleingang des bayrischen Ministerpräsidenten bekam so am Ende doch noch einen offiziellen Anstrich. Aber war Horst Seehofer tatsächlich nur als Laufbursche Berlins in Moskau?
Artig überbrachte der kernige Urbayer die besten Grüße der Bundeskanzlerin. Zwar nicht auf Russisch, wie sie es gerne gesehen hätte, aber dem CSU-Vorsitzenden war es verziehen. Möglicherweise lag es an seinem Anstand, zumindest bis zur Bundestagswahl im September weitgehend an der Außenpolitik Merkels festzuhalten. Augenscheinlich genießt er bei seinen Kollegen im Kreml eine besondere Sympathie. Kein anderer Ministerpräsident eines Bundeslandes ist bisher von Russlands Präsidenten Wladimir Putin so herzlich empfangen worden wie der Seehofers Horsti. Sein Spezl Edmund Stoiber, derzeit ohne politische Funktion, durfte mit den beiden sogar am selben Tisch sitzen. Was im ersten Moment als freundliche Geste erscheinen mag, brachte den bayrischen Landesvater in eine peinliche Situation. Denn, eigentlich war er ja gekommen, um zu poltern.
Vielleicht war es auch nur ein geschickter Schachzug des russischen Präsidenten, den Delegierten mit allem Glanz in die prachtvolle Kulisse des Kremls zu bitten. Ziemlich schnell war da die Luft aus den Forderungen der westlichen Politik, die nach wie vor nach Sanktionen gegen Russland schreit. Wie vermeldet wurde, war es Seehofer darselbst, der die Botschaft verkünden durfte, dass die Kanzlerin am 2. Mai ebenfalls gedenkt nach Moskau zu reisen. Es bleibt fraglich, ob das so abgesprochen war oder ob sich Seehofer dadurch aufzuwerten versuchte. Zumindest fungierte er somit als perfekter Statiker beim Brückenbau zwischen Russland und Deutschland. Statt die wirtschaftlichen Sanktionen vollmundig zu bekräftigen, nahm sich der Ministerpräsident eher der leisen Töne an. Ist er doch ein bekennender Gegner der Maßnahmen, die das Klima zwischen beiden Ländern nachhaltig zu vergiften drohen.
Der Kurier der Kanzlerin
Bei dem rund hundertminütigen Gespräch wiederholte Seehofer erneut seinen Standpunkt, „dass Sanktionen in einer Beziehung zwischen Staaten etwas sind, was man überwinden sollte“. Allerdings sitzen ihm da auch die bayrischen Unternehmer im Nacken. Der Spagat zwischen den Forderungen Berlins und seiner eigenen Landsmannschaft scheint ihm ganz ordentlich zu gelingen. Unterstützt wird er dabei von seiner Delegation, die kein gutes Haar an der Merkelschen Sanktionspolitik lassen wollen: „Die USA drängen uns zu Sanktionen, die Washington dann mit zig Ausnahmeregeln selbst unterläuft – und wir Deutschen sind die Dummen“. Eberhard Sasse, der Präsident der Industrie- und Handelskammern in Bayern, übersetzte es etwas diplomatischer: „Die bisherigen Erfahrungen mit Sanktionen zeigen, dass sie meist nicht geeignet sind, die damit verbundenen politischen Ziele zu erreichen“. Deshalb sei es als gut zu bewerten, dass Seehofer den Dialog mit Putin aufrecht erhalte.
Dass dieses Treffen ausgerechnet am 16. März stattfand, dem Tag, an dem sich die Halbinsel Krim im Jahr 2014 Russland zugewandt hat, kann ein Zufall sein. Fakt ist jedoch, dass dieser im Westen umstrittene Beitritt mittlerweile bei den Verhandlungen kaum mehr eine tragende Rolle spielt. Vielmehr richtet sich das Augenmerk verstärkt auf den Bürgerkrieg im Osten der Ukraine. Seehofers Haltung hierzu ist unmissverständlich: „Beide Seiten haben ihre Hausaufgaben zu machen!“. Und schiebt fast schmollend hinterher: „Vor einem Jahr bin ich für diese Aussage noch kritisiert worden.“ Aus diesem Grund will sich Horst Seehofer in Kürze mit dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko in Kiew treffen. Minsk sei ein Abkommen, das zwei Verpflichtete hat, betonte er. Bevor sich Seehofer in Moskau zwischen die Stühle setzte, sprach er lieber von der Unberechenbarkeit von US-Präsident Donald Trump: „Ich wünsche mir, dass es zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Vereinigten Staaten und Russland kommt, auf ehrlicher und verlässlicher Grundlage“, wird er von der »Welt« zitiert.
Das Treffen mit den Journalisten vor Ort fiel, im Gegensatz zu seinem Auftritt im vergangenen Jahr, wo sich Seehofer fast um Kopf und Kragen redete, überraschend kurz aus. Die Fragen, von denen ohnehin nur drei zugelassen waren, wurden von ihm nur knapp beantwortet. Er habe ein „klares, intensives, und ernsthaftes“ Gespräch mit Putin gehabt und ihm gesagt, dass er „ohne wenn und aber“ zum Abkommen von Minsk stehe, war zu erfahren. Daraufhin entließ er die Anwesenden mit wenig Neuem. Das offizielle Programm mit den Vertretern der russischen Zivilgesellschaft verkürzte der bayrische Ministerpräsident ebenfalls. Zu der Brücke, auf der der Oppositionelle Boris Nemzow vor zwei Jahren erschossen wurde, fuhren anschließend nur Vertreter der SPD und der Grünen aus dem Bayerischen Landtag, um Blumen niederzulegen.
[Michael Barth/russland.RU]
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