Welikij Nowgorod – Archäologen haben laut der „Stimme Russlands“ sechs antike Birkenrinden-Texte in der historischen Altstadt von Welikij Nowgorod, im Nordwesten Russlands, ausgegraben. Die Entdeckung ergänzt die Sammlung von bislang über eintausend geborgenen Schriftstücken auf Birkenrinde, die immens bedeutend für das Verständnis des traditionellen Wandels der Schrift im alten Russland sind. Sie ermöglichen eine neue Betrachtung der russischen Sprache und bringen Licht in die nordische Frühzeit der russischen Kultur.
Der erste Birkenrinden-Text wurde am 26. Juli 1951 von Nina Fjodorowna Akulowa gefunden und war der erste von bisher 1025 in der Folgezeit Ausgegrabenen. 923 davon alleine in Nowgorod. In der Regel stammen die Texte aus dem späten 11. und dem frühen 15. Jahrhundert. Fast die meisten von ihnen mit Griffeln aus Bronze oder Eisen, jedoch niemals mit Tinte geschrieben. Durch den sumpfigen Boden wurden die Schriftstücke vor dem zersetzenden Einfluss von Sauerstoff bewahrt. Die meisten der Schriften fanden sich in Strassen, damals mit Bohlen aus Holz befestigt, die dann später im Boden versanken. Spätere Befestigungen überdeckten wieder die älteren Schichten und mit ihnen die Schriftstücke.
Die damalige Stadt Nowgorod war eine Schlüsselstelle zwischen Russland und West-Europa und eine der wichtigsten historischen Metropolen Russlands. In ihrer Blüte während des 14. Jahrhunderts war sie mit einer nachgewiesenen Population von 400.000 Einwohnern gar eine der größten Städte in Europa.
Unter den Schreibern, sowie den Adressaten der Dokumente auf Birkenrinde finden sich Priester, hohe Beamte, Kaufleute und Verwalter. Aber auch Handwerker, Krieger und Frauen. Und sogar auch welche von Kindern. So erzählt zum Beispiel das Dokument auf unserer obigen Abbildung vom Rechtschreibunterricht und den Zeichnungen eines Jungen namens Onfim, der zu dieser Zeit geschätzt etwa 6 bis 7 Jahre alt gewesen war.
Die Entdeckung der Birkenrinden-Dokumente, die von Menschen beiderlei Geschlechts, verschiedenem Alter und unterschiedlichem sozialen Status niedergeschrieben wurden, veränderte die Sicht auf die Alphabetisierung des russischen Nordens, die weit höher entwickelt war, als bisher angenommen. Auch werfen sie ein Licht auf die Schriftsprache dieser Zeit, da die Texte in einer besonderen slawischen Landessprache geschrieben sind. Einer lebendigen Sprache, die fast völlig frei von den schweren kirchenslawischen Einflüssen in der Schriftsprache dieser Periode ist.
Die meisten der Schriftstücke beschäftigen sich mit Alltäglichem und der geschäftlichen sowie persönlichen Korrespondenz, wie zum Beispiel Anweisungen, Beschwerden, Verträgen, Neuigkeiten, Erinnerungen und Studien. Sie behandeln das familiäre Leben und Angelegenheiten des Haushalts. Aber auch Handel und Finanzen, Verbrechen, Gerichtsverhandlungen, Reisen und Kriegszügen sowie verschiedene andere Inhalte, die alle eine enorme Fülle an Details des mittelalterlichen Lebens im russischen Norden offenbaren.
Von den neuerlich entdeckten Texten wird angenommen, dass sie geschäftlicher Natur sind und werden derzeit einer Analyse durch Sprachwissenschaftlern unterzogen.
[April Holloway]
Foto: Birkenrinden-Text Nr. 202, Mitte des 13. Jahrhunderts, geschrieben von einem Kind. Quelle: wikimedia
Aus dem Englischen übersetzt mit freundlicher Genehmigung von „Ancient Origins“. Zum Originaltext mit weiterführenden Links gelangen Sie hier: ancient-origins
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