Am 23. Oktober nahm der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu telefonisch Kontakt mit den Verteidigungsministern mehrerer westlicher Länder auf: Frankreich, der Türkei, Großbritannien und den USA. Mit jedem von ihnen besprach Schoigu die „Situation“ in der Ukraine, die „eine stetige Tendenz zu einer weiteren, unkontrollierten Eskalation aufweist“.
Während der Gespräche mit Vertretern Frankreichs, der Türkei und Großbritanniens äußerte Schoigu nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums seine „Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mit einer ’schmutzigen Bombe'“. Das russische Verteidigungsministerium hat keine Beweise für diese Version vorgelegt.
Kurz vor Schoigus Gesprächen meldete RIA Novosti, dass „das Kiewer Regime eine Provokation mit einer ’schmutzigen Bombe'“ in der Ukraine vorbereitet. Die staatliche russische Agentur berief sich auf „glaubwürdige Quellen in verschiedenen Ländern“, darunter auch in der Ukraine. Nach Angaben der Agentur wird die Provokation angeblich vorbereitet, um Russland des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen zu beschuldigen und „damit eine starke antirussische Kampagne in der Welt zu starten, die das Vertrauen in Moskau untergraben soll“. In der Veröffentlichung von RIA Novosti wird behauptet, dass die „schmutzige Bombe“ angeblich in der Ukraine hergestellt wird und dass Kiew mit Großbritannien „über die Frage einer möglichen Weitergabe von Kernwaffenkomponenten an die Kiewer Behörden“ in Kontakt steht. Andere unabhängige Quellen haben diese Informationen nicht bestätigt.
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace forderte Sergej Schoigu auf, solche Äußerungen nicht als Vorwand für eine weitere Eskalation zu nutzen. Das britische Verteidigungsministerium nannte Einzelheiten des Gesprächs zwischen den beiden Ministern, das auf Initiative der russischen Seite stattfand. Minister Schoigu behauptete, die Ukraine plane mit Unterstützung westlicher Länder, darunter auch Großbritannien, Aktionen, die auf eine Eskalation des Konflikts in der Ukraine abzielten. Verteidigungsminister Wallace wies die Anschuldigungen zurück und warnte davor, solche Äußerungen als Vorwand für eine weitere Eskalation zu nehmen.
Das türkische Verteidigungsministerium teilte seinerseits mit, der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar habe Sergej Schoigu während des Gesprächs erklärt, Ankara sei bereit, zur Wiederherstellung der Stabilität in der Region beizutragen. „Die Seiten stellten fest, dass angesichts möglicher Provokationen, die die Situation in der Region weiter verschärfen könnten, Vorsicht geboten ist“, zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu das türkische Verteidigungsministerium.
Die ukrainischen Behörden haben die Berichte über eine „schmutzige Bombe“ als Lüge bezeichnet. „Russlands Lügen über die angeblichen Pläne der Ukraine, eine ’schmutzige Bombe‘ einzusetzen, sind ebenso absurd wie gefährlich“, bemerkte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Er wies darauf hin, dass die Ukraine den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen unterstützt. „Wir haben keine ’schmutzigen Bomben‘ und wir planen auch nicht, welche zu haben <…> Russen geben oft anderen die Schuld für das, was sie selbst planen“, sagte Kuleba.
Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidialamtes, kommentierte die Äußerungen Schoigus gegenüber der ukrainischen Ausgabe von Liga.net als „absolute und völlig vorhersehbare Absurdität von Akteuren, die immer noch glauben, dass man dreist lügen kann – und jemand wird es glauben“. Podoljak twitterte außerdem: „Es gibt keine ’schmutzige Bombe‘, es gibt nur schmutzige Versuche, den offensichtlichen russischen Völkermord mit einer neuen Fälschung zu rechtfertigen.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski sagte in einer Videoansprache, nur Russland könne eine „schmutzige Bombe“ in der Ukraine einsetzen.
Das französische, das britische und das US-Außenministerium bezeichneten gemeinsam die Warnungen von Schoigu vor einer ukrainischen Provokation mit schmutzigen Bomben als „offensichtlich falsch“. Sie sahen darin einen Versuch Russlands, einen Vorwand für eine Eskalation zu schaffen.
Der Sprecher der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, legte heute per Telegram nach und bezeichnete den US-Präsidenten und die Staatsoberhäupter der EU-Staaten als „Sponsoren und Komplizen des Atomterrorismus“.
„Schmutzige Bomben“ sind eine einfache Variante einer nuklearen Waffe. Der Hauptschaden, den die Bombe anrichtet, ist nicht auf die Explosion zurückzuführen, sondern auf die Ausbreitung von radioaktivem Material.
[hrsg/russland.NEWS]
COMMENTS