Schau mer mal, dann seh mer scho

[Hanns-Martin Wietek] In der Bundesregierung ist man uneins: Die Bundeskanzlerin ist offen „für Diskussionen über Sanktionen“ – noch undurchschaubarer kann man es nicht mehr ausdrücken, auf Münchnerisch sagt man „Schau mer ma, dann seh mer scho“.

Außenminister Steinmeier sagt „Ich sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, wie möglicherweise langfristig wirkende Sanktionen hier zur Verbesserung der Versorgung der Zivilbevölkerung beitragen sollen“. Vielleicht sieht er ja zum nächsten Zeitpunkt mehr. Es sei ihm gewünscht, dass er dann auch das Richtige sieht.

Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin kommentiert in seiner begnadet ungenauen, verwaschenen Art: „Angesichts dieser ungebrochenen Gewalteskalation, dieser Kriegsgräuel bis hin zu Kriegsverbrechen, hat die Bundesregierung (…) Verständnis dafür, dass über alle Optionen nachgedacht wird, auch über Sanktionen gegen die, die diese Taten durchführen, beziehungsweise ermöglichen“: Viele warme Worte ohne Inhalt.

Sein französischer Kollege Jean-Marc Ayrault fordert weitere Schritte, um den Druck auf die Kriegsparteien in Syrien aufrechtzuerhalten. Interessant! Will er jetzt auch Sanktionen gegen den IS und gegen die „Opposition“? Denn die sind schließlich auch „Kriegspartei“, ja mehr noch: Ohne die gäbe es gar keinen Krieg.

Der britische Außenminister – noch bis vor kurzem als Bürgermeister von London guter Freund Putins, erst seit seiner „internationalen Weihe“ zum Außenminister um 180 Grad umgedreht – will Druck auf den „Puppenspieler des Regimes von Syriens Präsident Baschar al-Assad“ – gemeint ist mit dieser blumigen Bezeichnung Russland.

Der tschechische Außenminister will erst einmal ‚Butter bei die Fische‘. Man solle ihm erst einmal beweisen, dass Russland für die Situation in Aleppo die Verantwortung trage.

Österreich – wie immer ganz pragmatisch, diese Schlitzohren – lehnt Sanktionen schon aus wirtschaftlichen Gründen ab.

Italien spielt „Gutfreund“ und großes Verständnis – man kann schon fast die Liebe für Russland sagen und hofft, seine Tomaten wieder loszuwerden und ist mindestens schon dreimal umgefallen, wenn es darauf ankam.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag werden die Regierungschefs ihren Worten (besser: Worthülsen) Taten folgen lassen können.
Schau mer ma, dann seh mer scho.
Wie sagte doch das alte Schlitzohr Adenauer „Wat interessiert misch min Jeschwätz vo jestern“.

Aber einen gibt es! Den sollte man aufgrund seiner tiefgreifenden Erkenntnis zum Kaiser von Europa ausrufen:
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert, mit dem Gerede aufzuhören und sich einzugestehen, dass die Handlungsmöglichkeiten der EU begrenzt sind. „Wir als Europäische Union haben keinen Knopf, auf den wir drücken können, damit das [Krieg in Syrien und Bombardement in Aleppo – hmw] aufhört“.

Welch‘ begnadete Erkenntnis!
Aber leider überkam diese Weisheit nur ihn.
(Hanns-Martin Wietek/russland.news)

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